Batman und die Suche nach der Buchstäblichkeit des Lichts

Hallo zusammen!

Es ist ja jetzt schon wieder eine ganze Weile her, dass The Batman in den Kinos war, aber es gibt da eine Sache, die ich aufgreifen wollte von dem Moment an, seit ich selbst aus der Vorstellung zurückgekehrt war. Es geht um eine spezifische Sequenz, vor allem um einen spezifischen Shot – und darum, wie man ihn liest.

Konkret geht es mir um diesen hier:

Der Screenshot ist aus dem Trailer, also sollte das Spoiler-technisch klargehen – aber keine Frage: Dieser Artikel wird leichte Spoiler für den Film beinhalten.
(Abbildung © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.)

Jetzt kann man diese Situation aus (mindestens) zwei Perspektiven lesen: eine, die das Dargestellte als eine wortwörtliche, dokumentarische Abbildung von Geschehnissen begreift, und eine, die es eher sinnbildlich erfasst.
Denn ja, objektiv gesehen ist manches in der Szene fragwürdig. Das lässt sich vielleicht am einfachsten in dem Fakt illustrieren, dass Batman als Fackelträger vorangeht, was – wie vermutlich jeder, der mal in tiefer Dunkelheit hinter einem Fackelträger gegangen ist, bestätigen kann – Probleme mit sich bringt. Denn die Blendkraft der Fackel ist weit immenser als das das Licht, das sie spendet, sodass das Dunkel nur dunkler wird und man am Ende im schlimmsten Fall weniger sieht als vorher. Dass er sich mit dem Licht schon entfernt, während Leute sich noch ihren Weg aus scharfkantigen Trümmern bahnen, macht es mit all den wandernden Schatten nicht besser, zumal man ja sieht, wie die Trümmer hier bereits wieder in Schwärze versinken.
All das ist wahr. Nur: Sinnbildlich ist es in meinen Augen absolut sinnvoll, dass es geschieht, wie es geschieht und ich glaube, das verdient hier Betrachtung – auch im Kontext einiger vorangegangener Artikel zu ähnlichen Themen von mir.

(Der Fairness halber sollte ich erwähnen, dass glaube ich die absolute Mehrheit sich nicht an der buchstäblichen Lesart verhakt hat; aber auch wenn das in diesem Fall eher eine Rand-Kritik darstellte, so ist es doch ein schönes Beispiel, um meinen größeren Punkt zu illustrieren.)

Lassen wir mal den Fakt außen vor, dass es einfach ein wundervoller Shot ist, und dass das bei einem Film – als visuellem Medium – am Ende auch immer ein Faktor sein wird. (Na ja, fast immer, Dogma 95 und so, aber sagen wir: bei fast jedem Film, und definitiv bei einem massentauglichen Blockbuster.)
Viel wichtiger als das, was dort minutiös geschieht, ist aber in meinen Augen, was diese Szene bedeutet. Das ganze Finale ist ja ohnehin der große, innere Wendepunkt des Films für Batman selbst. Er lernt etwas, er entwickelt sich als Filmfigur weiter – und er findet einen Weg fort von Rache und Zorn hin zu dem Punkt, dass er der Bevölkerung von Gotham Hoffnung geben möchte.

Abbildung © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Das hier ist genau der Moment, in dem sich das wandelt. Wenn er zu den Leuten hingeht, ist das, was er noch in ihnen auslöst, Furcht; also genau die Emotion, von der uns jetzt seit Jahrzehnten in den Filmen suggeriert wird, dass sie das Ding für Batman ist. Aber dann ist es gerade ein kleiner Junge, der sich traut. Der vertraut, und der damit die anderen eingeschlossenen Leute dazu bewegt, Batman zu folgen. Batman steht dort, das Licht erhoben, eine Hand ausgestreckt in einer klaren Erretter-Geste, doch die Leute kauern dort nur zaudernd – und es ist der Junge, der den Bann bricht. Ein kleiner Junge, der Bruce Wayne im Laufe des Films bereits aus, ähem, biografischen Parallelen ins Auge gefallen ist. Sicherlich nicht zufällig auch in Alter und Erscheinung sehr nahe dem jungen archetypischen Bruce Wayne, der in einer Gasse seine Eltern verlor und so den Weg gen Batman einschlagen sollte.
In diesem Moment wird Batman zu einem Fanal der Hoffnung und dieser Shot, indem er die Leute, das helle Licht vor sich erhoben, aus der Dunkelheit heraus in Sicherheit führt, ist das absolute Sinnbild dafür.
Den ganzen Film über ist Batman eine Kreatur der Schatten. Er wird eingeführt durch einen Shot gerichtet in tiefschwarze Dunkelheit und einzig bedrohliche Schritte in der Finsternis künden von dem Rächer, der naht. Nun aber ist Batman das Licht – und Leute folgen ihm.

Das alles ist als Kontext wichtig, aber mein eigentlicher Punkt geht wie versprochen noch darüber hinaus. Kritiken, die sich in solchen – und allen anderen vergleichbaren Szenen – daran aufhängen, dass etwas „unrealistisch“ ist, verfehlen in meinen Augen die Anerkennung einer kompletten Ebene, in der Kunst erzählt. Sie verkennen die symbolische Ebene.
Filme sind in meinen Augen, wie alle künstlerischen Medien, nicht in jeder Facette und in jedem Augenblick wörtlich zu verstehen. Es ist nichts anderes als der Passus in meinem Artikel über die Medienkritik zu Tenet, in dem ich schon schrieb: „Es ist ein Problem, nicht zu erkennen, dass Medien nicht in jedem Punkt immer wortwörtlich zu rezipieren sind; The Fountain ist kein Film, in dem der Arzt Tommy Creo auf seiner zu einem Baum/Raumschiff gewordenen Frau durchs Weltall fliegt. Leute.“
Es ist auch der Moment am Ende von The Last Jedi, bei dem sich Leute ja geradezu vehement weigerten, Broom Boy einfach nur als Sinnbild der Hoffnung zu verstehen, dass selbst in dieser dunklen Stunde die Macht doch immer weiter die Leute durchdringen und erreichen wird, sondern zwanghaft überzeugt waren, dass die Figur in kommenden Medien eine wichtige und zentrale Rolle einnehmen werde.

Und in gewisser Weise haben sich die großen Blockbuster-Franchises dahingehend dieses Nest auch selbst bereitet. Dank begleitendem „Visual Dictionary“ wissen wir, dass der Junge mit dem Besen Temiri Blagg heißt, und was er sonst so mit seinem Leben anfängt – was zumindest auch Teil des Problems ist.
In der unentwegt immer weiter verflochtenen Welt von Cinematic Universes, Meta-Kommentaren und Cameos ist das Publikum inzwischen regelrecht darauf trainiert worden, alles wörtlich zu nehmen. Ist es ein Symbol, was wir da sehen, eine Metapher – oder die Vorbereitung auf das nächste Spinoff?
Dahingehend ist es ein klassisches „Wer nur einen Hammer hat, erkennt in jedem Problem einen Nagel“-Dilemma; viele massentaugliche Filme sind inzwischen so explizit und wörtlich geworden, dass dann, wenn damit einmal gebrochen wird, das notwendige Werkzeug gar nicht mehr im Werkzeugkasten des Publikums zu finden ist. Auch darüber schrieb ich schon mal, Von der Gefahr, den falschen Muskel zu trainieren.
(Den obligatorischen CinemaSins-Rant spare ich mir heute mal, auch dazu siehe den gerade genannten Artikel. Dafür sei Patrick H. Willems Video über Plot Holes noch empfohlen.)

Ich glaube aber, daran müssen wir arbeiten. „Wir“ einmal als das kollektive Publikum, das moderne Medien rezipiert, „wir“ aber natürlich auch als explizit jene von uns, die aktiver nicht nur Empfänger, sondern auch Sender sind. Seien es Leute wie ich mit einem old-schooligen Blog wie diesem hier, seien es solche mit starken YouTube-Kanälen oder Social-Media-Reichweite. (Dazu aber demnächst auch noch mal ein eigener Artikel.)
Und „wir“ sicherlich auch als Medien-, und spezifischer als Kunstschaffende, die wir uns wieder trauen müssen, aktiv mit Symbolik und Subtext zu arbeiten; und manchmal, manchmal sicher auch auf Kosten von 100%igem „Realismus“ und 100%iger „Logik“.

Dass für viele Leute der Unterschied zwischen Zusammenfassung und Interpretation immer weiter verschwimmt, ist ein Symptom.
Allwaltende Verwirrung, wenn Filme sich nicht bereitwillig selbst erklären, ist ein Symptom.
Die Fixierung auf Filmfehler, Logikfehler und Plot Holes ist ein Symptom.
Die Ursache liegt in der Medienkompetenz des Publikums und in dem Vertrauen, das Medienschaffende entweder darin haben, oder nicht.

Und da ist noch viel Arbeit zu leisten.

Viele Grüße,
Thomas

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