Fast & Furious. Ja. Wirklich.

Hallo zusammen!

Am 22. Juni 2001, vor exakt 20 Jahren also, ging der erste Film der Fast & Furious-Reihe an den Start. Natürlich wusste damals noch keiner, dass es der Start einer Reihe sein würde, als der eher mittel budgetierte Film um Typen, die mit Sportwagen sowohl illegale Straßenrennen fahren als auch DVD-Player aus LKWs klauen, ins Kino kam – aber oh wie hat sich das gewandelt. Inzwischen sind wir bei neun Filmen, zuzüglich einiger Kurzfilme, einer Animationsserie, einigen eher mauen Videospielen und einem ebenfalls ziemlich erfolgreichen Spin-Off … und ich möchte heute darüber reden. Ja, ehrlich.
Ganz unironisch.

Ich vermute, wer auf das Franchise schaut, der wird zunächst eine Reihe von Dingen darin repräsentiert sehen, die mich auch nicht interessiert hätten. Filme für Männer, für „echte Kerle“ (ihr wisst schon, dieser Euphemismus für toxische Chauvinisten), Filme über schnelle Autos und hypersexualisierte Frauen. Oh, und ihr kennt vermutlich zumindest ein oder zwei Memes über „irgendwas mit Familie“.
Zumindest, vermute ich, wenn ihr bisher nicht schon auf einen der anderen Menschen online gestoßen seid, der wie ich dafür wirbt, dass die Filmreihe durchaus einen zweiten Blick wert sein kann. Eine Rolle, die – sofern ihr nicht schon die ganze Zeit wissend nickend diese Zeilen verfolgt habt – für euch dann heute wohl ich übernehmen werde.

Familie, Piraten und Robin Hood

Der Reihe nach. Familie ist, egal wie sehr die Memes dieses Element inzwischen persifliert haben, ein zentraler Punkt der Filme. Und zwar durchaus auch im Sinne von Blutsverwandtschaft, aber eigentlich im Kern vor allem als ein Zirkel engster Vertrauter, die sich rund um Reihen-Fixpunkt Vin Diesel und seine Filmfigur Dominic Toretto gebildet haben. „I don’t have friends“, grummelt er dahingehend, „I have family“.
Und wer hier im Blog schon länger mitliest, erkennt, dass das tatsächlich etwas ist, wo Fast & Furious und ich eine gewisse Überschneidung haben. Ich mache mir nichts aus schnellen Autos und fahre auch keines, die ganze Bro-Welt der illegalen Straßenrennen ist mir fremd wie sie nur sein kann, aber in diesem einen Punkt gehe ich mit. Fast & Furious ist eine Filmreihe über Freunde, Verbundenheit, Treue und darüber, miteinander durch Dick und Dünn zu gehen. Das ist nicht zwingend einmalig im Action-Bereich, wenn man sich etwa die enge Verbindung vieler Buddy-Action-Duos anschaut, wenn sie nur einmal ihre Unterschiede überwunden haben, aber hier geht es nicht nur um ein, zwei Personen. Es geht nicht um den besten Freund, es ist ein ganzes Ensemble. Darin gibt es engere Verbindungen, kleinere Klüngel, einige mehr oder weniger schwelende Meinungsverschiedenheiten, auch die eine oder andere Romanze. Ein ganzer Freundeskreis eben; wenn auch ein ziemlich krimineller.
Ich könnte jetzt auch noch lange ausholen und mich über die Implikationen davon auslassen, dass hier de facto die Verbrecher und nicht die Gesetzeshüter die Guten sind. Die Guten, nicht nur die Hauptfiguren. Das ist die DNA von Robin Hood und vieler Piratengeschichten – aber tatsächlich kann ich es mir da auch einfach machen und auf Wisecrack deuten, die das ziemlich gut aufgearbeitet haben:

Spektakel und wundervoller Unsinn

Dann sollte denke ich an dieser Stelle auch einfach mal festgehalten werden, dass die Filme ohne Ausnahme spektakulär sind. Ja, mit zunehmendem Fortschritt der Reihe auch absurder und ja, gerade in den frühen Filmen auch manchmal etwas ungewollt albern – was haben wir uns etwa über die schon geradezu fetischhafte Inszenierung der Schaltvorgänge in den frühen Teilen amüsiert –, aber wer gutes Actionkino mag, der wird nie enttäuscht werden. Nicht zuletzt, weil die Reihe (im Rahmen des Möglichen) nach wie vor auch auf praktische Effekte setzt und beispielsweise der Anfang von Furious 7 ist einer der coolsten, tatsächlich ohne jeden Schnitt gedrehten Oner, den ich kenne.
Es ist wundervoller Unsinn, der geradezu enthemmt einfach verspricht, eine gute Zeit zu haben, während Helden in Sportwagen DVD-Player klauen. Und einen zimmergroßen Safe. Und aus einem Flugzeug springen. Und gegen einen Panzer kämpfen. Und gegen ein U-Boot.
Und es ist verdient noch etwas zu betonen: Es ist eine Filmreihe, die keine Verfilmung von irgendetwas, kein Remake oder Reboot von irgendetwas und keine Superheldengeschichte ist, die dennoch uneingeschränkt aufwendige, bombastisch inszenierte Blockbuster-Unterhaltung bietet und sich dabei bisher mit jedem Film selbst übertrumpft hat. Das ist ist bemerkenswert.
Man kann argumentieren, dass die Reihe in manchen Aspekten inzwischen mehr wie ein Anime funktioniert, aber auch das muss ich gar nicht machen, da kann ich erneut auf YouTube verweisen:

Male Bros Gazing

Nun … es gibt einen Punkt, der nicht ignoriert werden sollte: Fast & Furious hat – je Film mal mehr, mal weniger – einen extrem männlichen Blick am Start. Frauenkörper werden zweifelsohne für ein männliches Publikum inszeniert und diese hypersexualisierte Präsentation von Frauen, die ich eingangs erwähnte, die ist durchaus drin. Wir sind in meinen Augen weit, weit von dem entfernt, was etwa Michael Bays Inszenierung seines ersten Transformers-Films Megan Fox‘ Filmfigur Mikaela angetan hat, aber es gibt schon gute Gründe, weshalb Michelle Rodriguez ihre Teilnahme an Teil 9 davon abhängig gemacht hat, dass die weiblichen Figuren mehr Charakter bekommen. Auf der anderen Seite kann man auch festhalten, dass bemerkenswert viele Frauen in der Reihe den sexy lamp test ohne Probleme bestehen. (Bechdel ist eher ein Problem.) Und egal ob man sich jetzt so einen (Alt-)Herrenverein wie die Expendables, oder auch durchaus beispielsweise die Avengers über weite Teile ihres Franchises anschaut, so kann man schon festhalten, dass Fast & Furious von Teil 1 an eben auch interessante weibliche Figuren geboten hat, die – ja – unnötig sexualisiert werden und – ja – eine bemerkenswert überdurchschnittliche Tendenz zum Leinwandtod haben, aber zugleich immer ebenfalls weichenstellend für die Filme waren.

Wo die Filmreihe in meinen Augen im Bereich Diversität hingegen richtig punkten kann, ist im Bereich „of color“. Wenn man sich beispielsweise mal die Riege der Hauptfiguren aus Fast 6 anschaut, dann sticht das finde ich schon hervor in einer Zeit, wo man sich bei manchem Blockbuster ja nur fragen kann, wie viele weiße männlichen Hauptschauspieler dieses Mal „Chris“ heißen.

Philosophie

Um aber an dieser Stelle ganz, ganz beherzt noch mal eine Linie in den Sand zu ziehen: Diese Filme sind in vielerlei Hinsicht dumm. Sie sind dumm. Ich werde das niemals abstreiten.
Und dennoch.

Wenn Dom Toretto so gerne online zitiert wird mit seinem „I live my life a quarter mile at a time“, ja, natürlich ist das erst mal ein doofer, markiger Spruch. Aber wenn man sich die Szene aus dem ersten Film mal anschaut, aus der das Zitat stammt, wenn man sie sich wirklich anschaut, dann spricht da ein junger Mann mit tiefsitzendem Trauma, der mit diesem Satz letztlich eine Form von Eskapismus beschreibt, und der sich entgegen aller Memes in der Szene gar nicht als großer Macker inszeniert, sondern über seine Ängste spricht.

Wenn Han in Tokyo Drift seinen ebenfalls so gerne auf Motivationspostern zitierten Satz „Life’s easy. You make choices and you don’t look back“ vom Stapel lässt, dann ist das ohne Kontext leicht also Ego-Arschloch-über-Leichen-Mentalität zu lesen. Aber wenn man sich die Szene aus dem dritten Film mal anschaut, wenn man sie sich wirklich anschaut, dann ist es erneut ein stiller, ziemlich introspektiver Moment zwischen den Figuren, in dem es darum geht, wie Menschen aus purer Angst gesellschaftlichen Regeln folgen und wie sie darum zu einer großen, monotonen Masse werden. Und darüber, dass kein monetärer Wert es aufwiegen kann, zu wissen, woran man bei einem anderen Menschen wirklich ist.

Wenn Dom in Fast 5 in der „Salute mi familia“-Ansprache erklärt: „Money’ll come and go […]. The most important thing will always be the people in this room“, ehrlich, dann habe ich da auch wenn man sich die Szene mal anschaut – einfach gar nichts dran auszusetzen.

Grillfeier

Aber nun gut, abschließend muss ich dann doch noch mal zu der Familien-Sache kommen.
Das Fast & Furious-Franchise ist eine oftmals geradezu offensiv wirklich dumme Action-Filmreihe, die aber zugleich liebenswerte Figuren präsentiert, die ich teils ganz unironisch zu meinen Popkultur-Favoriten rechne. Sie flirtet schon seit vielen Teilen jedes Mal mit der Absurdität ihrer Actionszenen, aber es sind eben jene Charaktere und deren Kontinuität, die das wieder erden. Sie fällt über die Fallstricke hypersexualisierter Inszenierung und hat fremdschämige Bro-Momente, schafft aber zugleich auch immer mal wieder ruhige Szenen voll Introspektion, in denen letztlich Werte ausgedrückt werden, von denen ich mir wünschen würde, mehr Filme würden die so präsentieren. Ich schrieb’s dieses Jahr ja schon öfter: Mehrere Dinge können wahr sein.

Und wie sehr das gilt, wird vielleicht nirgendwo so deutlich wie in den Szenen mit dem ultimativen Familien-Trope des Franchises – nämlich immer dann, wenn es Zeit ist für ein Barbecue. Das sind Momente, in denen die Filme es ihren – mit Fortschreiten der Reihe sonst immer stilisierter werdenden – Figuren erlauben, einfach miteinander herumzuhängen. Und wenn dann gegessen wird, dann gibt es ein Tischgebet. In diesen Tischgebeten kommen erneut diese Werte heraus; Dankbarkeit für das, was man hat und für die Leute, mit denen man das Leben teilen darf. Genuine Gedanken von Erkenntlichkeit und Güte.
Und dann, absolut sicher, folgt im Abschluss irgendein Autospruch, der die Cringe-Nadel auf dem Tacho des Zuschauers bis zum Anschlag treibt. Denn beides kann in dieser Reihe nebeneinander koexistieren, nahezu gleichzeitig.

Und darum wollte ich heute darüber schreiben.

Viele Grüße,
Thomas

3 Kommentare zu “Fast & Furious. Ja. Wirklich.

  1. Himmel – wie könnte ich mir denn anmaßen, über den Spaß anderer Leute zu urteilen.
    Die F&F-Reihe reitzte mich null und daran hat auch dieser apologetische Artikel nix geändert. Aber deine Meinung kann ich akzeptieren, und deinen Artikel habe ich mit interesse gelesen. Aufregen über die Filme und die Leute, die daran Spaß haben, muss ich mich nicht.

  2. Pingback: Millennium – 25 Jahre später | Seelenworte

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