Die letzte Tröte ihrer Art

Hallo zusammen!

Zehn Jahre.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit.
Vor zehn Jahren, das war 2006. Das war ein Jahr vor der Markteinführung des iPhones. Angela Merkel war gerade seit einem Jahr im Kanzleramt, George W. Bush befand sich in der Mitte seiner zweiten Amtszeit als Präsident. Im Vorjahr war Star Wars Episode 3 erschienen, die Fußball-WM fand in Deutschland statt, Nintendo veröffentlichte die Wii und Lordi gewannen den Eurovision Song Contest.
Ich denke, man kann es wirklich eine lange Zeit nennen.

Jeder gute Irre braucht eine Wand mit Zeitungen – in diesem Falle alle bisher veröffentlichten Ausgaben der Tröte

Jeder gute Irre braucht eine Wand mit Zeitungen – in diesem Falle alle bisher veröffentlichten Ausgaben der Tröte

Anfang 2006 erschien die erste Ausgabe der Tröte, der fiktionalen Zeitung unserer LARP-Spielwelt Condra. Sie erschien danach (nahezu) jeden Monat, jedenfalls jedes Mal, wenn wir eine unserer „Tavernen“ veranstaltet haben. 104 Ausgaben sind seither erschienen, mindestens zwei Seiten lang, mehrfach länger oder mit Extra-Beilage. Zusammengetragen von einer tapferen Schar ehrenamtlicher Schreiberlinge, die jede Ausgabe, jedes Jahr gefüllt haben. Schon vor Jahren hatten wir genug, dass ich mir den Wunsch erfüllen konnte, ein „Verschwörungstheoretiker“-Zimmer auf einem Con einzurichten, dessen Wände mit den Ausgaben der Zeitung gepflastert waren.

Grob jedes Quartal trafen wir uns und planten das kommende Zeitgeschehen. Jeden Monat habe ich einen Schreibplan veröffentlicht, aus dem sich dann ambitionierte Helfer Themen heraussuchen konnten. Danach wurde es gesetzt, gedruckt und zur Taverne geschaffen. Lange Zeit nutzten wir Copyshops, seit einer Weile jagen wir sie aus Bequemlichkeit über den heimischen Drucker. Immer mal wieder gab es Kapriolen, etwa eine Ausgabe, die uns nichts gekostet hat, weil der Mann an der Kasse im Copyshop kein Kleingeld hatte um meinen Fünf-Euro-Schein zu wechseln und sie mir darum geschenkt hat, oder eine Ausgabe, die sündhaft teuer war, weil alle Kopierer bis auf den Farbdrucker im Laden ausgefallen waren.
Und irgendwie hat es immer geklappt. Eine Tröte hat es mal nicht zur Taverne geschafft, weil es auf dem Lieferweg Missverständnisse gab, aber selbst die war fertig.

Zur Feier der 50. Ausgabe gleich im doppelten Umfang: Die Tröte

Zur Feier der 50. Ausgabe gleich im doppelten Umfang: Die Tröte

Aber wie ich sagte, zehn Jahre sind eine lange Zeit. Seit 2006 bin ich zwei Mal umgezogen. Damals studierte ich noch Politische Wissenschaften, ein Nebenfach, was ich ja später noch gegen Philosophie tauschen würde. Überhaupt, ich studierte noch; wir studierten noch. Nun aber, 2016, haben wir alle weniger Zeit als früher, und in der Tendenz wird es nur schlimmer. Das Wahre Leben© hat seine Klauen in uns gegraben, so wie das eines Tages nahezu jedem passiert, und es ist wohl an der Zeit, mit der Zeit zu gehen. Und zu gehen.
Die Tröte 104, die letztes Wochenende auf der Taverne verfügbar war, wird die letzte ihrer Art sein.
Schon irgendwie das Ende einer Ära.

Wobei es nicht ganz vorbei ist. Noch ist es nicht Zeit, die Stühle hochzustellen und das Universum hinter uns abzuschließen, aber kürzer treten müssen wir. Vier Tröten, das ist so im Moment der Plan. Jeder Jahreszeit ihre Ausgabe, aber dafür vielleicht in diesem kleineren Rahmen wieder mit derselben Liebe gefertigt, die wir einst auch für elf Ausgaben pro Jahr aufbringen konnten.
Nun könnte man argumentieren, dass es dann doch weitergeht – aber es ist dennoch ein Abschluss. Ein Schlussstrich. Ein Einschnitt.
Es ist etwas ganz anderes, grob vier Mal pro Jahr etwas anzupeilen, als sich selbst den Druck zu machen, jeden Monat, jede Taverne, zwei Seiten zu füllen, jedes Quartal mit detaillierter Entwicklung auszugestalten.

Die Tröte geht also weiter, aber irgendwie wird es auch nicht mehr Diese Tröte sein. Das ist vorbei.
Es ist schade, aber es ist mit aufrechtem Haupte zu nehmen.

Ein Stapel der "Tröte 8"-Sonderausgaben inkl. der beigelegten Karte

Ein Stapel der „Tröte 8“-Sonderausgaben inkl. der beigelegten Karte

Ich bin stolz, auf das, was wir geleistet haben. Sicherlich ist es faktisch einfach nur ausgedachter Unfug, aber zehn Jahre lang verlässlich jeden Monat Leuten Spiel- und Spaßpotenzial zu bereiten, das ist nicht trivial. Und niemand sollte jemals so davon denken.
Vielleicht werde ich noch einen kleinen Gedenkband schrauben, mit allen Tröten der letzten zehn Jahre. Vielleicht auch nicht.
Erst einmal will ich einfach stolz sein.
Stolz, und gespannt auf das, was ich mit der freigewordenen kreativen Energie im kommenden Jahr so anstellen werde.
Ich bin sicher, da findet sich etwas!

Viele Grüße,
Thomas

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