Hallo zusammen!
Was ein trüber, trister Herbstabend. Aber da fügt es sich doch, dass ich hier entgegen sonstiger Gewohnheiten mal abends sitze, einen dampfenden Kaffee vor mir und die Heizung aufgedreht, um noch mal einen Artikel zu schreiben. Das ist, nach diversen „News“-Postings der letzten Tage glaube ich auch noch mal nötig. Zumal davon vermutlich noch mehr folgen.
Ich habe dieser Tage einen Podcast gehört, genauer gesagt ein Interview des „Nerdist Writer’s Panel“ mit Adam Rogers, einem der Hauptredakteure bei der amerikanischen Wired, sowie Fernseh-Autor Ben Acker. Direkt vorweg: hier zu haben, schwer empfohlen. Ich bin wirklich kein großer Podcast-Hörer, aber das ließ mich, nach einem eher gemütlichen Anfang rund um die schnell wieder verstorbene Wired-TV-Sendung nicht mehr los – denn dort reden sie dann über Zeitungen, Redaktions- und Recherchearbeit, Konzept-Findung für Artikel und dergleichen mehr. Alles extrem spannend, gerade wo ich ja in der jüngeren Vergangenheit deutlich mehr in Magazinen publiziert habe als im Bereich Tagesjournalismus.
Dann aber fiel ein Satz und in der Sekunde, in der ich ihn hörte, war mir klar, dass ich dazu bloggen will:
Adam Rogers sagt dort: „I’m probably the last generation that started in print.“
Das ist, als Erkenntnis, ungeheuer signifikant. Und vielschichtiger, als ich selber zunächst glaubte.
Einerseits: Klar, wer sich heute zum Schreiben getrieben fühlt, hat eine extrem große Chance, seine Startnische im Web 2.0 zu finden. Das war ja bei mir im Grunde auch so, nur halt im Web 1.0, als ich 1999 die DORP an den Start brachte. Insofern nickte ich zustimmend zu der Aussage, wurde dann aber langsamer. Denn ich konnte zwar auch mit etwas Google-Fu nicht herausfinden, welchen Jahrgang Rogers hat, ich vermute ihn aber irgendwie mal so zehn Jahre vor mir. Pi mal Daumen. Die Generationenlehre ist ja insgesamt ein ziemlich esoterischer Klumpen aus „Weil ich das so sage ist das so!“-Argumentationen, aber zumindest nach den gängigsten Thesen liegt irgendwo zwischen uns ein Generationssprung. Andererseits bin ich nach der klassischen Strauss-Howe-Definition ja Kind des ersten Jahres der Generation Y, was vielleicht auch erklärt, warum ich da noch eine Ausnahme anführen kann.
Die Schülerzeitung. Meine erste Publikation, wenn man so will, war in der „Pranke“, unserer Schülerzeitung, in der Ausgabe vom November 1998. Zwei Artikel von mir erschienen darin – und ganz passend setzt sich der eine, ohne das da selber bewusst zu sehen, mit einem unfassbar schludrig verfassten und nie lektorierten Text einer TV-Anleitung auseinander, während der andere versucht, das damalige Paria-Hobby Rollenspiel zu erläutern.
Das kann man jetzt natürlich mit einem Lächeln zur Kenntnis nehmen – klein Thomas, zarte 15 Jahre alt, schreibt halt für die Schülerzeitung. Aber dennoch gibt es einige Aspekte, die ich damals da noch gelernt habe, die im reinen Digitalbetrieb niemand kennt – Platz, sprich Seiten, als eine Ressource, die entsprechend Geld kostet etwa. Der ganze Vorlauf bis zum Druck, vom Layout (damals mit MS Publisher) bis zur Druckerei und letztlich auch die ganze Logistik dahinter. Das sollte man nicht unterschätzen, denn ich meine im Grunde ist der Produktionsablauf auch nicht anders als bei Projekten heute, mit dem Unterschied, dass ich mittlerweile weiß, was ich tue.
Das war wie gesagt 1998. Im Impressum ist die Rede von Win ’95, Word 7.0 und WinZip 6.0, um so ein paar Anhaltspunkte zu geben. Und von Quake 2 und GTA (ja, damals ohne Nummer).
Aber ich schweife ab. Auch vielleicht ganz interessant im Hinblick auf das Thema, wenn auch nicht aus dem Rogers-Interview her abgeleitet, ist für mich nach wie vor, dass die Zeitung niemals eine redaktionelle Betreuung außerhalb der Schülerschaft hatte. Wer hier schon lange mitliest erinnert sich vielleicht, dass ich auch einmal über die neue Schülerzeitung meiner alten Schule schrieb, und ihren Mangel an Identität kritisierte. Ich hab mir ja ein paar ziemlich scharfe Kommentare der heutigen (damaligen?) Macher eingefangen, was ich insgesamt gut finde, zeigt es doch, dass durchaus doch Herzblut in dem Projekt steckt. Das ist ein Punkt, indem ich mich liebend gerne eines besseren belehren lasse.
Das heißt zwar, dass es auch heute noch eine Schülerzeitung gibt und somit meine ganze Ausführung hier ggf. auf wackligen Beinen steht, andererseits ist es vielleicht auch ein Indiz für die Richtigkeit der grundlegenden Rogers’schen These. Denn vielleicht ist die gewissermaßen als Konformität zu bezeichnende Grundhaltung der neuen Zeitung, an der ich mich so gerieben habe, auch einfach Zeugnis davon, dass die Leute, die etwas eher Persönliches oder nicht Schul-Bezogenes zu sagen haben, schlichtweg das Medium gewechselt haben.
Ich weiß es ja auch nicht.
In jedem Fall kann man denke ich feststellen, dass zwischen der aktuell jüngsten Generation (also grob denen, die nach der Wende geboren wurden) und denen, die vor den 80ern geboren wurden, eine entsprechende Lücke klafft. Und ich irgendwo dazwischen hänge.
Ich denke es ist auch klar, dass diese Lücke letztlich Einfluss auf die Medienwahrnehmung und -gestaltung haben muss. Ich bin mit noch mit einem sehr idealisierten, aber letztlich auch sehr klassischen Bild des Journalismus groß geworden – idealisiert und geprägt vor allem durch Filme wie „Die Unbestechlichen“, durch die damals so präsenten Bilder großer Nachrichtenredaktionen, wo Heerscharen von Schreibern auf engem Raum auch gemeinsam auf der Suche nach „der Story“ sind. Finchers „Zodiak“ ist ein phantastischer Film, wenn man ein Beispiel für das Bild von Zeitungsarbeit sucht, mit dem ich groß wurde. Dass er in den 70ern spielt, ist diesbezüglich wohl eher traurig.
In der brillanten BBC-Serie „State of Play“ (zu Deutsch „Mord auf Seite 1“) kommt dieses Bild noch voll zum Tragen, wenn auch in modernem Ambiente angesiedelt. Interessanterweise kontrastiert das Hollywood-Kino-Remake von „State of Play“ (dort dann mit „Stand der Dinge“ übersetzt) diesen Zeitungsalltag mit der wachsenden „Bedrohung“ durch Blogs und Webseiten. Ein kleiner Lichtblick in einem frustrierend mediokren Film, der aber auch nie zu einem Punkt kommt.
Das aber ist auch letztlich der Kontext, das Gedankenbild, in dem ich mich bewege, wenn ich die eine Hälfte der Protagonisten in Schleier aus Schnee zu Journalisten mache. Irgendwie schon wissend, dass das in vielerlei Hinsicht ein Anachronismus sein mag.
Ich hab ja nun auch freiberuflich über lange Zeit bei der Aachener Zeitung geschrieben, ich weiß, dass so in der Regel nicht gearbeitet wird. Nicht mal, weil es keiner will, sondern weil der gesamte Arbeitsalltag dafür gar keinen Raum ließe. Ich hatte vielleicht zwei Artikel, bei denen ich grundsätzlich ein ganz, ganz, ganz kleines Bisschen dieses Kribbeln gespürt habe. Aber da endete es dann auch ganz schnell.
Über einen Kumpel hatte ich Einblicke in die Welt des Videospiel-Journalismus, wo es lustigerweise auch im Grunde trotz des geringen Alters der Sparte an sich fast analog verlaufen ist, aber sich sogar noch extremer darstellt. Ein starker Schub in Richtung Web, Community-basierte News (was de facto bedeutet: unbezahlte Freelancer), und Print-Produkte, die nicht so recht wissen, wo sie eigentlich hinwollen und wo ihr Platz heute sein mag.
Und da kommen wir dann zu dem Punkt, zu dem ich wollte: Der Platz der Print-Produkte.
Ich predige schon seit Jahren zumindest in Freundeskreis (wohl wissend, dass das ja quasi analog zu einer Stammtischdebatte ist), dass meines Erachtens die einzige wirkliche Chance, die ich für den Print-Bereich sehe, darin liegt, aus dem Fluch des Mediums – dem langen Produktionsvorlauf – eine Tugend zu machen. Niemand, aber wirklich niemand braucht ein Magazin, indem steht, was im Fernsehen letzte Woche schon aus einem Blog vom Vortag abgelesen wurde.
Die Chance, die ich für den nicht dem Tagesjournalismus verpflichteten Print-Markt sehe, liegt in guten, vor allem gut recherchierten, aber auch sprachlich ansprechenden Artikeln. Artikel, die durch ihren – Obacht! – journalistischen Anspruch zudem etwas bieten, was ich eben nicht finde, wenn ich in der Wikipedia den Oberbegriff des Artikels eingebe. Die Gewinnerstraße liegt bereit für jene, die eben nicht versuchen, alles durch unterbezahlte Freelancer abzufangen und möglichst billig zu produzieren, zumindest in dem Bereich, wo eh nicht nur einfach Pressemitteilungen abkopiert werden, sondern wo man Leuten auch Geld zur Verfügung stellt, ordentlich zu „ermitteln“, was berichtet werden kann. In dem Wissen, dass es für Qualität einen Markt gibt.
Die amerikanische Wired, das vermutete ich zuvor und weiß ich seit dem obigen Podcast, macht genau das. Die Art und Weise, wie das Arbeitsvorgehen darin beschrieben wird, klingt nach einem unfassbaren Ideal. Und darum lese ich das Magazin auch, sogar zu den bodenlosen Apothekenpreisen, die der deutsche Buchgroßhandel für das Import-Heft will, zumal ich es nicht mal hier in Aachen kriege sondern immer über Köln angeln muss.
Als Randnotiz sei hier erwähnt, dass die dritte deutsche „Wired“ gerade neben mir liegt und sicher auch noch hier Thema sein wird, nachdem die Zweitausgabe dank unzuverlässigem Händler leider nie bei mir ankam und daher auch keine Erwähnung fand.
Neu aber seit dem Podcast ist für mich die Frage, ob das, wenn es für die Macher gilt, dass es dort einen Generationswandel in der Wahrnehmung von Journalismus gegeben hat, auch auf die Leser übertragbar sein mag.
Ich vermute nicht. Ich glaube eigentlich nicht, dass Qualität eine Generationsfrage sein kann. Das Darbietungsmedium aber natürlich schon. Aber das sind Spekulationen, die mir hier jetzt zu weit führen. In jedem Fall ist es aber ein Thema, in das ich noch mache Stunde meine gedanklichen Zähne versenken werde.
Viele Grüße,
Thomas
PS: Was mir wichtig ist – ich möchte nicht meine alte Schülerzeitung glorifizieren, da stand auch viel Murks drin, genauso wie ich die aktuellen Ausgaben der neuen Zeitung gar nicht kenne und daher erst Recht kein Urteil fällen werde. Und insbesondere: Bei der AZ arbeiten eine Menge toller Leute und auch dort findet sich viel Engagement, viel Ehrgeiz.
Ich möchte niemanden, wirklich niemanden – wie man neudeutsch sagt – bashen. Es ging einzig um Beispiele, anhand derer ich mein erwähnt idealisiertes Bild sozusagen kontrastieren kann.