Mit dem Fuß auf fremder Erde (Urlaubsgedanken)

Hallo zusammen!

Es ist mal wieder soweit: Ich war in Urlaub und habe Gedanken mitgebracht. Wer hier schon länger mitliest, der kennt das. Und nachdem es uns im vorigen Jahr ja mal zur Abwechslung gen Pfälzerwald und Vogesen gezogen hatte, war dieses Mal die Rückkehr in den Schwarzwald angesagt.
Eigentlich hatten wir das schon im Januar vorgehabt, aber Corona und andere Einflüsse hatten einen Strich durch diese Rechnung gemacht – etwas, was im Verlauf dieses Artikels noch Relevanz haben wird.

Aber fangen wir mit dem Wichtigsten an: Schön war’s!
Ich sagte das in anderen Zusammenhängen schon mal, aber ich bleibe dabei: Den waren Wert einer Freundschaft kann man erspüren, wenn man sich nach langer Zeit wiedersieht und es nur Lidschläge dauert, bis alte Routinen wieder greifen und man das alte Miteinander wieder erlangt. So war es auch hier und so schön der Schwarzwald war, so gesegnet das Wetter und so gut das Essen, die Gesellschaft war es wieder einmal, die den Urlaub für mich wirklich ausgemacht hat.
Und ich könnte nun das übliche Post-Urlaubs-Plädoyer über gute Freunde schreiben und wie wichtig es ist, sich mit Menschen zu umgeben, die einem positiv helfen, die eigenen Batterien wieder zu laden und bei denen man sein kann, wie man halt ist – und all das wäre wahr –, aber zugleich gibt es da noch eine andere Facette, die diesen Urlaub spürbarer für mich mit in der Luft hing.

Irgendwo zwischen Corona-Pandemie, Flutkatastrophe und Krankheitsfällen im direkten Umfeld – mir selbst geht es gut und der Rest geht euch auch nichts an, aber es ist für den Kontext wichtig zu erwähnen – komme ich nicht darum herum, zu sehen, wie es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir miteinander dorthin verreisen können.
Statistisch gesehen bin ich irgendwo knapp jenseits des Halbzeitpfiffs meines Lebens (etwas, was ich vor einigen Jahren schon mal in einem Artikel thematisiert habe, der diesen hier denke ich ganz gut ergänzt), was auf der einen Seite bedeutet, dass ich – erneut: statistisch gesehen – noch sehr viel vor mir habe. Zugleich merke ich jedoch auch, wie die Anzahl der Optionen, die Anzahl der zu nehmenden Abzweigungen halt doch weniger wird mit jeder Entscheidung, die ich treffe. Und mit jedem Tag, der vergeht.

Es ist ja nicht nur so, dass ich selbst eines Tages bestimmte Dinge nicht mehr werde unternehmen können. Wir haben auch gerade erst erlebt, wie eine Pandemie uns allen mal eben anderthalb Jahre an Möglichkeiten nimmt. Wir haben hier in der Eifel nach der Flut gesehen, dass es nun Orte gibt, die nicht mehr aufgesucht werden können, weil sie – buchstäblich – über Nacht hinfortgespült wurden. Und es wird früher oder später einfach so sein, dass wir alle mit bestimmten Leuten nicht mehr im gleichen Maße Sachen werden unternehmen können. Vielleicht werden sie alt, vielleicht krank, vielleicht haben sie aus beruflichen oder familiären Gründen nicht mehr die Zeit, die sie einst hatten. Vielleicht sind es aus Sicht anderer Leute auch wir, die alt, krank oder zu ausgelastet werden.
Es müssen nicht mal immer gleich Schicksalsschläge sein – so liegt in Lenzkirch im Schwarzwald etwa das Hertie-Erholungsheim, eine über viele Jahre leerstehende, je nach Wetter relativ gruselig anmutende Ruine, die sogar eine der Inspirationen für mein Verdorbene Asche gewesen ist. Wobei das nicht mehr richtig ist: Es war eine Ruine. Inzwischen läuft dort ein groß angelegter Wiederaufbau und nichts an der modernen, engagierten Baustelle, die ich diesen Urlaub dort passierte, erinnerte mehr an den dräuenden Bau, der sich einst vor uns beim Wandern aus dem Nebel schälte. Was man auch tun mag, diese Erfahrung ist nicht mehr einzuholen.

Wie so oft hier im Blog wäre das nun ein Moment, den man deprimiert zur Kenntnis nehmen, betrübt akzeptieren könnte; aber ich denke im Gegenteil, in dem Augenblick, in dem wir verinnerlichen, was ich dort gerade schrieb, in dem Moment können wir zugleich zu positiven Entscheidungen gelangen.

Es sind zwei Leitfragen, die darin schlummern:
Was tue ich mit meiner Zeit?
Und was möchte ich, am Ende, mit meiner Zeit getan haben?

Es gibt da eine Szene in der Langfassung von Die zwei Türme, der Verfilmung des zweiten Herr der Ringe-Teils, deren Wortlaut mir seit der ersten Betrachtung nicht mehr aus dem Ohr gegangen ist. Sie zeigt die beiden Brüder Boromir und Faramir nach der Rückeroberung Osgiliaths. Und es ist Boromir, der dort sagt: „Remember this day, little brother. Today, life is good.“
Boromir weiß zu diesem Zeitpunkt schon aus Erfahrung, dass es nicht ewig so sein wird.
Das Publikum weiß es erst Recht, ist es doch eine Rückblende und die Zuschauer wissen bereits, was die Zukunft bereithält.
Und doch hat Boromir Recht. Wenn das Leben gut ist, lohnt es, innezuhalten.

Wenn ich also etwas aus dem Urlaub mitgebracht habe, dann eine Reihe von Vorsätzen, die denke ich eigentlich auch universell gute Ratschläge darstellen und die hier hier heute daher nicht auslassen wollte:

  • Man muss die guten Momente auskosten, wo immer sie sich bieten.
  • Man muss wertschätzen, was man hat.
  • Man muss den Menschen sagen, was man ihnen sagen möchte, solange man es kann.
  • Man muss die Zeit nutzen, wo sie sich einem bietet – und man muss sich die Zeit nehmen, wenn man es kann. Wichtiger noch: Man darf sich die Zeit nicht stehlen lassen, wenn es zu vermeiden ist.

Und all das ist viel leichter gesagt als getan. Natürlich. Die Tatsache, dass ich weiter oben einen nahezu drei Jahre alten Text von mir verlinkt habe, der im Grunde die gleichen Gedanken formuliert, und dass es eben dennoch auch heute noch immer eine Herausforderung ist, zeigt ja nur, wie viel auch ich selbst da noch in die Praxis umzusetzen habe.

Es ist recht einfach, im Urlaub diesem Ideal entgegenzustreben; es ist ungleich schwerer, das mit dem Alltag in all seinen Facetten in Einklang zu bringen. Es ist aber zugleich wichtig, den Kopf ab und zu ein wenig zu wenden und sicherzugehen, dass die Scheuklappen der alltäglichen Verpflichtungen einem nicht den Blick auf etwas nehmen, was eigentlich wesentlich sein sollte.
Manchmal wird das bedeuten, nicht nur neue Dinge endlich zu beginnen, sondern andere womöglich auch beenden zu müssen; dann, wenn die Freuden von einst die Gewohnheiten und Verpflichtungen von heute geworden sind. All das zu erkennen, einzuordnen und umzusetzen sind hohe Hürden, die zu überwinden immer Teil des Lebens sein wird.
Doch egal wie man dazu steht, am Ende des Tages rinnt die Zeit unentwegt fort und lässt nicht mit sich verhandeln: Es liegt kein Zweck darin, Dinge planlos immer weiter in die Zukunft zu schieben, wenn man sie wirklich machen möchte. Sich Gewohnheit, Alltagstrott und Routinen zu unterwerfen wird unweigerlich dazu führen, dass man irgendwann mit Bedauern zurückblickt. Denn wenn man sich stets vornimmt, die Dinge ‚irgendwann‘ zu tun, läuft man doch Gefahr, eines Tages festzustellen, dass dieser unbestimmte zeitliche Rahmen, dieses ‚Irgendwann‘, inzwischen längst vergangen ist und man es nur selbst noch nicht begriffen hat.

Also: Geht hin – und lebt euer Leben.

Viele Grüße,
Thomas

5 Kommentare zu “Mit dem Fuß auf fremder Erde (Urlaubsgedanken)

  1. Sieh mal an, da warst du ja in unmittelbarer Nachbarschaft unterwegs. Aber obwohl ich in dieser Region permanent lebe, muss ich gestehen, dass mir das im Alltag keine dermaßen tiefsinnige Gedanken beschert. Danke für diese Ideen, die bei mir aktuell aus mehreren Gründen voll einen Nerv treffen.

    • Moin Andreas,
      ich denke es ist ein wichtiger Teil, einfach mal aus der eigenen Region rauszukommen und den Alltag etwas hinter sich zu lassen, wenn es um solche Gedanken geht.
      Ich hab hier ja nun in der Eifel auch einen wunderhübschen Flecken Erde um mich, aber da lauern halt auch wieder die Verpflichtungen links und rechts. Was aber ja genau das Thema des Artikels neuerlich widerspiegelt.

      Und es freut mich sehr, dass ich da einen Nerv treffen konnte :)

      Viele Grüße,
      Thomas

  2. Wow, was für ein dickes Paket an Weisheiten und sehr klugen Ratschlägen. Vielen Dank dafür! Und ja, das Leben ist endlich und wie schon Sir Anthony Hopkins sagte: „Lebe jeden Tag, als wäre es dein Letzter“. Sicherlich hat er das auch irgendwoher. Was aber nicht den Inhalt schmälert, genauso wie dein Artikel hier! Nochmal Danke!

  3. Pingback: DORPCast 191: Lassen Sie mich durch, ich bin Heiler - Die DORP

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