Am Rande der Vogesen wandern gewesen

Hallo zusammen!

So, da bin ich wieder. Zurück aus dem Urlaub.
Man muss ja, anno Corona, durchaus dankbar sein, dass das überhaupt geklappt hat – aber ja, gemeinsam mit ein paar Freunden habe ich die vorletzte Woche direkt am Fuße der Vogesen verbracht. (Wenn eure Erdkunde gerade knirscht, ich komme gleich darauf zurück.)
„Nicht in den Schwarzwald?“, fragt mich gefühlt jeder und, nein, nicht in den Schwarzwald. Das machen wir im Winter wieder (wenn wir dürfen). Die gleichen Leute jedoch, das gleiche Konzept mit seiner Mischung aus Wandern, Zocken und gutem Essen – was, das zumindest kam uns zupass, vermutlich mit die Social-Distancing-kompatibelste Form von Urlaub ist, die man machen kann – und somit auch die gleiche Konsequenz, sprich ein paar mitgebrachte Gedanken über Gott und die Welt hier an dieser Stelle. (Wenn ihr hingegen einfach nur hübsche Fotos schauen möchtet, die habe ich hier hochgeladen, aber … es würde mich freuen, wenn ihr auch den Text lest.)

Grenzgänger

Fangen wir mit den Vogesen an. Technisch betrachtet waren wir im Pfälzerwald, einer Mittelgebirgslandschaft in Rheinland-Pfalz, die sich dann jenseits der französischen Grenze1 in Form der Nordvogesen fortsetzt. Sprich, wenn ihr euch eine Karte Deutschlands anschaut, findet ihr im Westen da diesen kecken Hüftschwung rund um Ostfrankreich herum – dort.
Wir sprechen also vom Elsass, also einer jener Grenzregionen, die im Grunde schon immer, aber nicht zuletzt zwischen den Weltkriegen immer wieder unter anderer Obrigkeit standen.
Und das kann man, auch wenn man fußläufig dort zwischen den Grenzen umherläuft, an allen Ecken und Enden spüren. (Und ich kann ja gar nicht oft genug betonen, wie sehr es mich immer wieder rockt und berührt, dass wir innereuropäisch offene Grenzen haben.)
Das beginnt bereits mit den vielen, alten Grenzsteinen, die man entlang der Wanderwege entdecken kann und die von der sehr bewegten Geschichte über viele Jahrhunderte künden. Das beginnt auch bereits mit einem Blick auf die Karte der französischen Grenzseite, wo sich etwa das Château fort de Fleckenstein, das Château de Lœwenstein oder der Col du Litschhof finden. Ich finde bemerkenswert, wie sehr diese Namen einfach von der Geschichte erzählen und wie wenig sich diese babylonische Sprachvermischung in der kurzen Zeit bisher herausgeschliffen hat.
Die bewegte Geschichte reicht jedoch viel weiter zurück und ist, in ganz ungewohnter Form, ebenfalls noch zu sehen. Überall in der Region stehen dort Edelkastanien, beeindrucken durch ihre schiere Größe ebenso wie durch ihre leckeren Früchte. Dass sie aber dort stehen, geht auf die Römer zurück. Das Elsass war etwas mehr als 500 Jahre Teil des römischen Herrschaftsgebiets, und abseits aller anderen „Was haben uns die Römer gebracht?“-Witze ist eben auch die europaweite Verbreitung der Edelkastanie ein Erbe dieser Zeit.
Das muss man sich nur noch mal vergegenwärtigen: Dass wir, 2020, dort im Wald Esskastanien gesammelt haben, geht etwas zugespitzt gesagt darauf zurück, dass die Region zwei Jahrtausende zuvor von Julias Caesar erobert wurde.
Irre, oder?

Familie des 21. Jahrhunderts (mal wieder)

Zurück in der Gegenwart bleibt allerdings auch, mal wieder, mein übliches Fazit, wie gut es mir tut, mit eben jenen Freunden isoliert vom Rest der Welt Zeit verbringen zu können. Diese Auszeit, diese Gelegenheit mal den Kopf freizubekommen von Alltag, Stress und Pandemieplänen, ist unglaublich wertvoll. Und da ich ja weiß, dass einige jener, die hier mitlesen, nur bedingt an den Sinn und Zweck vom Verreisen im Urlaub glauben, sei es einfach noch mal wiederholt.
Der Ausweg aus der täglichen Routine, das was umgangssprachlich unter „Tapetenwechsel“ fällt, ist wertvoll. Es braucht erfahrungsgemäß immer ein, zwei Tage um sich einzugrooven, egal ob’s nun Schwarzwald, Portugal oder eben Pfälzerwald ist, aber diese neuen, ungezwungenen Routinen, die man für den Zeitraum finden kann, sind befreiend.
Spätestens am dritten Tag merkte ich, als ich die Treppe des Todes zu meinem Schlafzimmer herunterkam (siehe nebenstehendes Bild) und schon mal einen Kaffee aufsetzte, dass ich angekommen war.
Das sind alles keine steilen Erkenntnisse, ich weiß, aber wir – so als westliche Kultur – sind wirklich nicht gut im Umgang mit Erholung, Auszeiten und dem Zustand des Nicht-Arbeitens. Und gerade in diesem jahrgewordenen Containerbrand, in dessen letztes Viertel wir nun eingeschert sind, sollte man das denke ich einfach im Auge behalten.

Zeit für eigene Gedanken

Wenn euch mein kommender Roman, Sporenläufer, interessiert, merkt euch diesen Pilz hier einfach mal …

Was mit dieser Auszeit, dieser Gelegenheit für Ruhe einher geht, ist natürlich auch die Möglichkeit, endlich mal wieder etwas vom Alltag entkoppelt eigene Gedanken zu formulieren.
Etwas, was ich auch persönlich durchaus wieder genutzt, wieder getan habe. Und wie eigentlich immer ist nichts davon dazu geneigt, direkt auch für euch spürbar Dinge zu verändern, aber einfach für mich selbst mal wieder alle Prioritäten frisch sortiert zu haben tut gut – und tat Not.
Es klingt paradox, aber es ist so leicht, sich selbst aus den Augen zu verlieren und manchmal muss man denke ich innehalten und den eigenen Blick mal wieder neu justieren.

Unser Hirn bevorzugt gemeinhin vertraute Muster, ist immer darauf ausgerichtet, lieber bekannte Routinen abzuspulen als neue Konzepte zu erfassen. Das schlägt sogar die Brücke zurück zum Wandern, denn das ist auch einer der Gründe, warum das „Erwandern“ neuer Wege beim ersten Mal gefühlt länger dauert als bei möglichen Wiederholungen, selbst wenn man objektiv gleich lange unterwegs ist2. Doch so menschlich und so nachvollziehbar dieser tief verankerte Wunsch auch sein mag, sich im neuronalen Ohrensessel zurückzulehnen und am Kaminfeuer vertrauter Erfahrungen zu dösen – manchmal muss man denke ich auch die metaphorischen Stiefel noch mal fester schnüren und rausgehen in die Welt. Und sei es nur, um zu schauen, ob die Schemen sich dort im kühlen Morgennebel tatsächlich noch so präsentieren, wie wir es uns in der Zwischenzeit weisgemacht haben.

Viele Grüße,
Thomas


  1. Weil mir das ein Anliegen ist: Wir haben uns auf der Reise selbstverständlich an alle geltenden Corona-Bestimmungen der jeweiligen Gebiete, in denen wir uns aufgehalten haben, gehalten. Wir hatten nahezu keinen Kontakt zu anderen Menschen, weder auf deutscher noch französischer Seite, und selbst die Übergaben der gemieteten Ferienwohnung erfolgten kontaktlos.
    Haltet euch an die Regeln. Bitte. 
  2. Ich muss mir irgendwann mal die Zeit nehmen, mehr zu all den phantastischen Mechanismen zu schreiben, die unser Gehirn verwendet, um unsere Eindrücke erfassbar zu machen. Spezifisch zu diesem Thema ist das hier aber ein guter Einstieg, wenn ihr mehr wissen wollt. Und wenn ihr YouTube als Quelle nicht traut (gut so), dann findet ihr in der Videobeschreibung auch eine ganze Palette an ‚echter‘ wissenschaftlicher Abhandlungen dazu. 

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