It its simplest form, we have in a photograph
surrogate possession of a cherished person or thing.
– Susan Sontag (On Photography, 1977)
Hallo zusammen!
Vorgestern stand ich nach der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes noch eine Weile mit Xoro-Regisseur Matthias am Straßenrand und sprach mit ihm über Wunsch-Filmprojekte, die wir beide so hegen. Ein Wunsch, der mich persönlich dabei umtreibt, ist es, einmal mit Film zu drehen. Also nicht nur einen „Film“ auf ein Hi8- oder DV-Band, oder eine SD-Karte zu bannen, sondern wirklich Fimmaterial durch die Kamera zu jagen.
Der Gedanke ist nicht ganz unrealistisch. Kodak arbeiten gerade daran, den Super-8-Markt wiederzubelegen, was anlässlich von analog gedrehten Filmerfolgen wie „The Hateful Eight“ oder „The Force Awakens“ auch nicht unrealistisch erscheint.
Aber auch im Angesicht eines geschätzten Preises von 400 bis 750 Euro für eine der neuen Kameras muss man sich natürlich die Frage gefallen lassen, wozu das gut sein soll.
Die digitale Technik bringt auf den ersten Blick natürlich maßlos viele Vorteile. Die nahezu unbegrenzten Kapazitäten, die Möglichkeit, Aufnahmen sofort zu sichten, zu sichern und zu teilen, aber auch die immer besser werdende Technik dahinter. War alleine die digitale Fotografie vor 15 Jahren noch etwas, vor dem anspruchsvolle Fotografen nur die Nase rümpfen konnten, stehen einem heute für relativ schmales Geld Foto- und Video-Aufnahmemittel zur Verfügung, von denen man vor wenigen Jahren noch bestenfalls träumen konnte.
Warum sollte man das alles aufgeben, um wieder analog zu arbeiten?
Fakt ist, dass Analoges teils wieder im Kommen ist. Allerdings wäre es in meinen Augen verfehlt, das auf eine monokausale Erklärung einzudampfen. Doch während etwa der von manchen erwartete, aber nun doch ganz offensichtlich ausgebliebene vollständige Sieg digitaler Bücher über ihre gedruckten Pendants – was aus meiner Sicht auch mehr eine Dystopie, aus dem Blickwinkel manch eines Lesers aber auch eine Utopie gewesen wäre –, noch mal ein komplexeres Thema für ein anderes Mal ist, so finde ich beispielsweise die Renaissance von Musikkäufen auf Vinyl ein interessantes Fallbeispiel.
Vielleicht weil die Schere schon gar nicht mehr weiter aufgehen könnte – auf der einen Seite kehrt da ein Medium wieder, das viele schon vor 30 Jahren auf dem absteigenden Ast gesehen haben –, während auf der anderen Seite des Spektrums ich hier gerade beim Schreiben dieses Artikels das neue Album von Lindsey Stirling über Apple Music im Abo höre, abgespielt über eine Sound-Anlage, die per Bluetooth naht- und drahtlos vom Rechner versorgt wird. Es scheint widersprüchlich, dass das beides in der gleichen Welt existiert, während gerade erst jüngst beispielsweise das letzte VHS-Endgerät vom Band gelaufen ist.
Am Ende läuft es aber in beiden Fällen, beim Vinyl-Album wie auch beim Film, auf eine gewisse Frage der gewünschten Perfektion hinaus. Eine digitale Audio-Datei hat das Potenzial, wirklich perfekt zu klingen. Es liegt in der Natur von analogen Daten, dass alleine durch das verwendete Medium, den Abspiel- oder Aufnahmeprozess und damit verbundene Elemente „Störungen“ aufkommen.
Eine Frage, der wir uns aber einfach zunehmend stellen müssen, ist die, ob wir diese Perfektion denn auch wollen.
Wichtig: Das ist keine fundamentale Frage. Es ist durchaus möglich, beispielsweise analoge Musikwiedergabe zu bevorzugen, aber bei Filmen nicht mehr auf hochwertige, digitale 4K-Bildsignale verzichten zu wollen.
Und gleiches gilt für Aufnahmevorgänge.
Ich liebe meine Canon EOS 600D. Sie ist nicht mehr die Oberkante der Technik, selbst nicht in dem Mittelklasse-Segment, zu dem sie wohl zu rechnen ist. Dennoch: Ein phantastisches Stück Technik, dass ich nach wie vor mit großer Freude nutze.
Dennoch gibt es Anlässe, an denen die Zenit 122 meines Vaters ein ganz anderes, viel faszinierenderes Ergebnis liefert:
Wem das bekannt vorkommt, ich habe vor fast zwei Jahren schon mal über ein vergleichbares Thema geschrieben.
Noch extremer ist es wohl, wenn man von Polaroids spricht. Dank dem Impossible Project bekomme ich wieder Filme für meine Polaroid 636, und auch die Ergebnisse damit sind nicht mal im Ansatz vergleichbar mit dem, was einem die heutige digitale Optik einer DSLR auf den Chip zaubert.
Es ist also gerade diese Imperfektion, oder neutraler, einfach dieser grundsätzliche Look (oder Klang), der einen Reiz des Analogen ausmacht. Gut. Das ist nachvollziehbar.
Aber um beim letzten Beispiel zu bleiben – ein S/W-Film für die Polaroid-600-Reihe kostet um die 20 Dollar; das macht über 2 Dollar pro Bild. Ist es das nun wirklich Wert? Gleiches gilt für die Super-8-Filme, wo einen fünf Minuten Film schon spürbares Geld kosten, ganz zu schweigen von sagen wir dem gesamten Rohmaterial, das ein ambitionierter Kurzfilm schlucken würde.
Zunehmend aber beginne ich, auch darin einen Vorteil zu sehen. Sicherlich keinen allumfassenden Vorteil, kein Muss; ich käme ebensowenig auf die Idee, die nächste Ballett-Aufführung des Ateliers in Stolberg mit der Zenit abzulichten, wie ich Xoro 2 auf Super 8 drehen wollen würde.
Aber dennoch: Man arbeitet dann einfach anders. Wenn meine Sofortbild-Kassette acht, oder mein APX-Film 36 Bilder bietet, dann plane ich natürlich anders, als wenn man per „Fire and Forget“ auch mal 1.000 RAWs auf eine SD-Karte schießen kann.
Wenn schon sonst nichts, ist es eine Lektion darin, zu entscheiden, was einem wirklich wichtig ist, wenn man mal gezwungen wird, wählen zu müssen.
Und das ist vielleicht eine Lektion, die sogar auf kommende Digitalprojekte abfärbt.
Sicher gibt es Versuche, das etwa mittels Apps zu emulieren. Apps, die versuchen, die Bildästhetik einzufangen, aber auch Apps, die etwa die Anzahl der Bilder oder die Möglichkeit, sie zu sichten, stark reglementieren. Aber ich finde, das verfehlt stets den Punkt – denn dort ist es eine künstliche Verknappung.
Das ist es bei den analogen Medien nicht, dort ist es nach wie vor notwendig. Vielleicht ist es künstlich in dem Sinne, dass man ja jederzeit auf das digitale Gerät ausweichen könnte, aber dann wiederum müsste man eben auf die vorgenannte Ästhetik verzichten.
In gewisser Weise gilt dieser Verknappungsgedanke sogar für die Vinyl-Scheiben. Die zuvor genannten Abos, aber auch zunehmend die CDs und digitalen Käufe, scheinen die Einschränkungen der möglichen Menge an Liedern in erheblichem Maße aufzuheben. Eine LP ist so lang, wie eine LP lang ist – das ist und bleibt einfach ein gegebener Faktor. Und das zwingt, ganz ähnlich, zu einer bewussten Beschränkung.
Eine Freundin hat in ihrem Wagen noch immer eine Tape Deck. Manchmal stelle ich ihr Mix Tapes dafür zusammen – und erfahre dort genau den gleichen Faktor. Auf die MCs, die ich im Haus habe, gehen 90 Minuten – 45 Minuten pro Seite. Und wo schon auf LAN-Partys, die ich noch als Schüler besuchte, digitale Musik in unermesslicher Menge geteilt wurde, zwingt die MC zu einer ganz anderen Überlegung: Wo man sonst heute sagen würde, dass jemand dringend mal in diese oder jene Band reinhören solle und er – über die Abo-Dienste sogar legal – möglicherweise Zugang zum gesamten Lebenswerk der Künstler hat, zwingt die Musikkassette zu einer konkreten Entscheidung: Wenn du ein Lied der Band anbieten kannst, um den anderen zu überzeugen, welches wählst du?
Es zwingt letztlich auch zu einer bewussteres Reflexion über das eigene Nutzungsverhalten.
Am Ende aber sind und bleiben es zwei verwandte, aber getrennte, wichtige Faktoren – die Anmut, und die Begrenzung.
Die einzige wirkliche künstliche Verknappung allerdings, die es in diesem ganzen Kontext geben kann, ist eine ganz andere: Sich selbst komplett auf digitale Medien zu beschränken, das ist eine Einschränkung, der ich mich zumindest nicht mehr unterwerfen möchte.
Viele Grüße,
Thomas
Interessante Gedanken die hier geteilt werden und zu denen ich einfach mal meine persönliche Meinung kundtun möchte.
Möchte ich selber Filme machen, so würde ich IMMER die digitale Variante bevorzugen. Die Vorteile gerade beim Preis-/Leistungsverhältnis sind im No-/Low-Budget-Segment überwältigend. Wenn ich mir jedoch Filme anschaue, so bevorzuge ich definitiv die analoge Variante. The Hateful Eight habe ich in 70mm-Analog geradezu genossen. Warum? Weil es Film war. Da war Staub beim Rollenwechsel zu sehen und es fühlte sich nach einfach gutem Handwerk an. Bei vielen digitalen Filmen habe ich dieses Gefühl nicht. Das ist mir teilweise zu geleckt und zu glatt. Ich bin jedoch ein Gegner der CGI-Technik für alle Gelegenheiten. CGI kann für viele Sachen klasse sein. Digitale Landschaften und Zeugs, welches sich physisch nur sehr schwer, oder gar nicht, umsetzen lassen würde. Aber: Damit das wirkt, muss es täuschend echt aussehen. Und leider klappt das in vielen Fällen nicht.
HomeVideo: Alles unter BluRay (oder Streams in HD) ist nicht mehr zeitgemäß.
VHS: Nie wieder. Starb völlig zu Recht aus. Filme ohne O-Ton? Pfui!
DVD: SD-Bildqualität ist mir heute zu schlecht, wenn ich einen Film geniessen möchte.
Bücher: Bei Belletristik ist mir die elektronische Variante vollkommen ausreichend. Alleine der Platz, den man im Regal, durch den Erwerb der elektronischen Variante spart, ist für „Bücher, die man einmal liest“ Gold wert. Bildbände oder Graphic Novels: Geht für mich nur gedruckt.
Musik: Kommt bei mir auf den Ort an, an dem ich Musik höre.
Im Auto, am PC, unterwegs: Digital als Datei.
Zu Hause: Am liebsten auf Vinyl. Die Haptik einer LP zwingt mich dazu, ein Album komplett anzuhören. Gefällt mir auf einer CD ein Lied nicht, dann ist die Fernbedienung schnell gegriffen und die Skip-Taste schnell gedrückt. Wenn ich bei einer LP aufstehe, die Nadel anhebe und neu aufsetze, dann muss das Lied aber schon echter Mist sein. Bzgl. der Klangqualität ist die CD der Vinylplatte haushoch überlegen. Und dennoch muss sich Musik für mich nach Platte anhören, oder ein Hörspiel nach MC.
Fotos: Ich finde es toll, dass ich mal schnell mit meinem Smartphone einen Schnappschuss machen kann. Und dennoch bevorzuge ich die analoge Fotografie. Bestimmte Fotos sehen analog einfach besser aus. Mache ich analog Fotos mache ich mir ganz andere Gedanken über das Bild (habe ja evtl. auch nur 24 bzw. 36 Bilder zur Verfügung). Bin ich irgendwo im Urlaub neige ich digital dazu „jeden Grashalm“ zu fotografieren. Dies führt teilweise zu der absurden Situation, dass ich den Urlaubsort nur durch das Objektiv gesehen in mein Auge lasse. Den Ort kann ich so nicht voll erfassen. Dies ist genauso sinnlos, wie Menschen, welche auf einem Musikfestival, die zig Meter entfernte Bühne mit einem Smartphone abfilmen. Warum tut man das? Die Qualität von Bild und Ton ist recht bescheiden und dient als Erinnerung so nicht wirklich. Warum sich dann nicht lieber mit allen Sinnen der Umgebung hingeben und zu 100% in die Situation eintauchen? Das bei der digitalen Fotografie bei vielen Fotos auch viele gute dabei sind, bleibt nicht aus. Aber durch die Überlegungen, welche einem die analoge Fotografie aufzwingt (welche Blende brauche ich bei dieser Helligkeit und dem verwendeten Film? Naja, in einer Woche weiss ich ob es was geworden ist. Mache ich zur Sicherheit lieber noch eins mit Blende 22 und einer Belichtungszeit von 1/500?), bekommt das Foto eine Geschichte. Und wenn man nicht mehr viele Bilder auf dem Film hat, überlegt man sich dreimal, ob das Motiv es wert ist.
Ich stimme mit Thomas in vielen Punkten absolut überein und bin ebenfalls froh, dass ich selber wählen kann, mit welchen Werkzeugen ich kreativ arbeiten oder mit welchen Medien ich geschriebene Worte, Musik oder Filme konsumieren möchte.
Viele Grüße
Ralf
Moin!
Nahezu einen Monat nach deinem Beitrag komme ich dann auch mal zur Antwort … schwaches Bild, ich weiß, schwaches Bild …
Nun denn:
Wenn es um zielgerichtete Filmdrehs – Carport, Hilde, Xoro (2) – geht, dann klar, bin ich sofort im Digital-Team dabei. Es reizt mich auch mehr einfach einmal die Erfahrung, mit dem analogen Medium gearbeitet zu haben. Halt auf die selbe Art, wie ich manchmal halt doch gerne die analoge Spiegelreflex zücke. Einmal will ich wissen, wie es war, wenn man drauf achten musste, wie man den Film belichtet, wie viele Minuten das Super-8-„Tape“ noch hergibt etc.
Ich denke mal, nach dem einen Mal wird auch gut sein … aber das eine mal … hach, doch, würde ich gerne …
Filme gucken: VHS ist hoffentlich für immer verschwunden, kein Widerspruch.
Bei DVDs gebe ich dir im Grunde auch Recht; ich bin auch gerade dabei, mit meiner eigentlich mal geschlossenen goldenen Regel zu brechen und mir den einen oder anderen Lieblingsfilm dann eben doch noch mal auf HD-Scheibe zu kaufen. Ist vermutlich ebensowenig zukunftssicher, wie irgendwas, was vorausging, aber … ja, andererseits hab ich was Besseres verdient als SD ;)
Umgekehrt wird DVD aber wohl für mich wohl oder übel auf absehbare Zeit ein unvermeidliches Übel bleiben – nämlich immer dann, wenn das Original zwar auf Film gedreht wurde, aber nicht in HD abgetastet existiert, oder aber eben nie in HD produziert wurde und daher derzeit auch einfach nicht anders zu haben ist. Babylon 5, HdR-Bonusmaterial und Die Tote von Amelung seien meine Zeugen ;)
Bücher: Ich teile anders ein ;)
Belletristik bevorzugt noch immer gedruckt; wenn es nicht anders geht oder die gedruckte Ausgabe echt schäbig ist, dann auch gerne auf dem Kindle, aber wenn ich die Wahl habe (und die hohe Qualität deutscher Taschenbücher sehe), dann klar pro toter Baum. Sicher füllt es die Regale, und ich verstehe, dass das manchen grämt, aber mit dem festen Plan, das meine nächste größere Wohnung ein explizites Lesezimmer kriegen soll, sehe ich das selbst halt nicht mal als Makel ;)
Comics (inkl. Graphic Novels) lese ich gerne auf Papier, kann sie aber auch problemlos digital wertschätzen; die Bildqualität auf dem iPad ist vermutlich manchmal besser als beim gedruckten Pendant. Digitale Bildbände dagegen? Pfui.
Dann kann ich auch auf Pinterest surfen ;)
Musik: Vinyl ist extrem cool, scheitert hier aber schon alleine am Platz.
Ich war und bin aber ja ohnehin passionierter Albenhörer, insofern predigst du dennoch halb dem Bekehrten. Manches Lied, das ich heute sehr mag, hätte ich vermutlich auch nie in der Form schätzen gelernt, wenn ich es mir nicht qua Albenrotation über die Zeit warmgehört hätte.
Aber ich gebe zu, der Komfort von Diensten wie Spotify und Apple Music, nicht im Skippen, aber in der direkten Verfügbarkeit, ist schon auch dufte …
Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass da in dem besagten, bisher nur theoretischen, oben genannten Lesezimmer in der Zukunft mal was werden könnte ;)
Fotografie: Im Kern – Zustimmung. Ich hege auch den festen Plan, das nächste Mal im Schwarzwald auch „die Analoge“ mitzunehmen. Zumal ich ja auch ein großes Herz für Schwarzweiß-Fotos habe und sorry, digitale Fotografie, aber an einen guten S/W-Film kommst du nicht heran.
Allerdings mache ich ja auch viel Tanz-Fotografie, und da würde ich die DSLR niemals missen wollen. (Okay, oder „die Digitale“ allgemein, Systemkameras werden ja auch zunehmend attraktiv.) Schon alleine, weil mich die Länge der Termine und die Schnelligkeit der Abläufe mittelfristig definitiv arm machen würden ;)
Im Kern aber treffen wir uns ja tatsächlich vor allem bei einem Punkt: Wir haben die Wahl.
Und das ist ebenso cool wie bemerkenswert.
Viele Grüße,
Thomas
PS: Bei allem Unken über Prä-HD-Medien habe ich allerdings auch nicht den Wow-Effekt vergessen, mit dem du mir vor gefühlten Hundert Jahren das erste Mal eine DVD vorgeführt hast … ich denke, das wird sich nie ändern … eine neue Technik kommt und was man bisher als völlig adäquat angesehen hat, verblasst plötzlich, wo man sieht, was möglich ist …