Hallo zusammen!
Noch kein ganzes Jahr, aber mein letztes Update in Sachen „Das digitale Buch und ich“ ist ja schon wieder einige Monate her, also dachte ich mir, da geht noch mal was. Zumal sich da in meinem „Gadget-Fuhrpark“ auch jüngst Neues ergeben hat, aber dazu dann im Laufe des Artikels mehr. Ich habe derweil gerade mal nachgeschaut und 2014 waren es fünf Bücher, die ich auf dem Kindle gelesen habe; noch immer gerade mal ca. ein Siebtel des „Gesamtkonsums“, aber eine steigende Rate, ohne Zweifel.
Wie nun also waren diese Leseerfahrungen?
Lesekomfort
Was ich ja das letzte Mal zu diesen Thema schon schrieb: Der Lesekomfort mit einem Kindle ist ansprechend hoch. Das ist ein Preis, der vor allem an der Display-Technologie liegt. Ach, Hand aufs Herz, es fällt ja fast schwer, da von einem Display zu sprechen.
E Ink ist technisch ein so gutes Verfahren, das gerade durch seine Unabhängigkeit vom Berachtungswinkel und die perfekte Lesbarkeit bei direktem Sonnenlicht massiv punkten kann. Es ersetzt die haptische Erfahrung eines Buches nicht, aber es stellt ein gutes Äquivalent dar.
Auch glaube ich noch immer, was ich meine ich hier, sicher aber im DORPCast schon mal angesprochen habe: Ich lese schneller. Sicher teils ein subjektiver Effekt, denn zumindest bei meinem Kindle habe ich die Schriftgröße auch schlicht größer eingestellt als sie heute in vielen Büchern „ab Werk“ gesetzt ist. Aber auch das ist eigentlich schon Vorteil genug, denn, liebe Verlage, ich weiß ja um die Bestrebung, jeden möglichen Cent an Kosten zu sparen um das Druckwesen lukrativ zu halten, aber wenn ich mit 32 manchmal schon glaube, eine Lupe zu wollen, läuft was falsch.
Kurzum: Ich habe seit dem Umstieg viele, viele Pros gefunden.
Englische gegen deutsche Taschenbücher
Allerdings kommt es auch einfach drauf an, womit man es vergleicht. Wir Deutsche, wir produzieren ja schon echt ordentliche Taschenbücher. Das weiß man gar nicht so zu schätzen, solange man seine Titel nur aus dem deutschsprachigen Raum bezieht – und ich meine jetzt nicht mal die Nepperei mit den „wertigen“ Klappbroschuren; wir sprachen hier ja schon darüber, meine ich –, aber wer mal ein englisches oder mitunter auch französisches Taschenbuch in der Hand hatte, der weiß, was ich meine.
Es muss ja nicht gleich alles so desolat sein wie eine meiner „Lord of the Rings“-Ausgaben, wo ich den Text mit bloßen Finger von der Seite reiben kann; das Papier ist oft minderwertig, das Druckbild klobig und schlecht, die Bindung nicht nur schludrig, sondern auch so eng und tief zwischen die Seiten, dass man sie effektiv brechen muss, um das Buch lesen zu können. Wenn ich davon spreche, wie schön ich das gedruckte Buch als Medium finde – diese meine ich nicht.
Umgekehrt können mich deutsche Taschenbücher nach wie vor begeistern. Ich verstehe da auch gar nicht, warum bis heute Leute existieren, die sie minderwertig, nicht erhaltenswert finden. Es ist ja nicht mehr Rowohlts Rotations-Roman, den wir hier lesen. Es gibt so viele wirklich mit Liebe gestaltete Taschenbücher, die, so finde ich, sich in der Aufmachung gar nicht erst vor einer gebundenen Ausgabe verstecken müssen. Diese ziehe ich noch immer vor.
Denn meine alte Setzung gilt da durchaus weiter: Beim Buch ist das Medium zugleich der direkte Interaktionsgegenstand. Meinem Fernseher ist es egal, ob er mir eine DVD, BD oder Netflix zeigt (nebenbei bemerkt, da habe ich dankbar jeden Wechsel vollzogen; Film- und Serien-Streaming ist etwas, was ich nie wieder missen möchte!), den Boxen ist egal, ob sie Vinyl, CD, MP3 oder FLAC spielen … das Buch aber halte ich in der Hand.
Das, was sich geändert hat, ist, dass ich mittlerweile klar sage, im Falle eines Unterbereichs des Buchmarktes – englische Taschenbücher – verkehrt sich dieses Argument und das eBook „gewinnt“, weil ich das lieber in der Hand halte als das physische Pendant.
Anonymität
Bleiben zwei neue Facetten. Die eine, ganz kurz nur, weil sie mich selten betrifft, da ich so wenig in der Öffentlichkeit lese: eBook-Reader sind anonym. Im Bus, im Zug, in der Uni, auf der Arbeit – von außen kann keiner sehen, ob ich da gerade 80er-Jahre-Fantasy, kontemporäre Romantasy, die Bibel oder „Anna Karenina“ lese.
Und als jemand, der oft genug in den Gängen der Uni während seines Studiums schief ob seiner Fantasy- und SciFi-Bücher angeschaut wurde, sehe ich, wie das jemandem entgegenkommen mag. Aber Buchdiskriminierung soll nicht heute unser Thema sein.
Comics
Bleibt neue Facette Nummer 2, und zugleich der Gadget-Neuzugang. Ich besitze, das hatten wir ja hier schon, durch Weitergabe im Freundeskreis mittlerweile ein älteres iPad. Und was ich jetzt mal darauf probiert habe, auch weil mich Mit-Podcaster Michael und allgemein häufiger „Mittäter“ Matthias beide schon mal direkt oder indirekt darauf angesetzt haben, war, einen Comic darauf zu lesen.
Und, nun, hier ist alles anders.
Jetzt muss man dazu sagen, dass ich bei Comics, insbesondere auch bei Graphic Novels, bei weitem nicht so ein fanatischer Fan bin wie beim allgemeinen Buchmarkt. Ich lese sie sehr gerne, würde auch einige Werke wie „Sandman“ und „Transmetropolitan“ zu den literarisch hochwertigsten Sachen zählen, die ich allgemein gelesen habe, aber dennoch waren Comics für mich immer ein „Sekundärmedium“ neben dem Roman, dem Sachbuch und den verwandten Rein-Text-Medien. Die emotionale Nähe zum Druckerzeugnis ist also überschaubar.
Und holla die Waldfee, sieht das einfach gut aus. So dankbar ich beim Kindle bin, dass es keine Hintergrundbeleuchtung gibt – Ich muss ja gar nicht erst mit dem Problem anfangen, dass selbstleuchtende Displays die Melatoninproduktion beim Leser fördern und so seinen Schlaf behindern können –; ich finde es liest sich auch einfach angenehmer. Bei Comics allerdings ist die Qualität, die sich auf dem kräftig leuchtenden Retina-Display des iPads zeigt, wirklich atemberaubend. Kann ich nicht anders sagen.
Ich verstehe jeden, der jetzt seinerseits aus einer emotionalen Bindung heraus dem explizit gedruckten Comic anhängt; und es hat ja auch Einfluss gehabt auf das Medium, schon alleine wenn in den wirklich frühen Jahren die Farben der Superhelden sich u.a. danach gerichtet haben, welche Farbe billiger im Druck war. Aber ich denke heute, wo ohnehin vermutlich große Teile digital coloriert werden, heute wird der Druck da Mittel zum Zweck und kann als Mittelsmann umgangen werden.
Zumal man auf einem Tablet um die 10“ auch an einem Punkt ist, wo sich eine ganze Comicseite recht natürlich vollständig auf dem Schirm darstellen lässt.
Ist das jetzt Doppelmoral, meinerseits? Das gedruckte (Text-)Buch noch immer wertschätzen und dem gedruckten Comic noch mal zaghaft mit dem Taschentuch nachwinken? Am Ende des Tages ist es halt eine subjektive Entscheidung, bzw. ein subjektives Urteil, das jeder für sich fällt und zumindest in diesem Punkt kann man glaube ich keine objektive Antwort finden, die dann auch von allen Beteiligten anzuerkennen wäre.
Falle ich nun endlich in den Chor mit ein?
Wie ich auch schon das letzte Mal schrieb; im Grunde glaube ich, ist es gar keine Frage, die man mit entweder/oder formulieren muss. Das eBook ist da, es hat sich schon mal sein Revier abgesteckt und ich denke, dort wird es auch bleiben. Meldungen über rückläufige Verkaufszahlen bei den Readern sind auch nur genau das; sie sind Meldungen darüber, dass die Geräte weniger oft gekauft werden. Klassische Marktsättigung. Meinen nächsten Reader brauche ich auch erst, wenn der Kindle mal defekt ist. Das trifft jedoch kein Urteil über den Verkauf der digitalen Bücher, und der ist noch immer stark und wird eher stärker, wie mir scheint.
Aber es soll hier ja nicht um Marktanalyse gehen, sondern um meine persönlichen Leseerfahrungen. Und in gewisser Weise steht da am Ende ein Urteil, steht da eine Erkenntnis, die erfreulicher und in gewisser Weise versöhnlicher im Blog eines Autoren nicht ausfallen könnte – am Ende kommt es auf den Inhalt an.
Ob Reader, ob Tablet oder Smartphone, ob gedrucktes Buch im Hardcover oder Paperback, am Ende sind sie alle das Tor in eine andere Welt, unser Fluchtweg aus dem Alltag, unser Portal hinein in spannende Geschichten. Und was soll ich sagen? Im Rahmen dieser Metapher führen letztlich alle Wege ans Ziel, und es es ist einfach an uns, uns für den zu entscheiden, der uns am meisten zusagt.
Viele Grüße,
Thomas
PS: Das abgebildete eBook ist der Roman Penny Dreadful von Kevin Andrew Murphy, der Comic heißt Tale of the Visiting Flare und ist von Jim Zubkavich und John Morke.
Nachtrag:
PPS: Timing ist alles – gerade heute hat hat die amerikanische Wired einen neuen Artikel zum Thema Schlaf und selbstleuchtende Screens veröffentlicht.