Hallo zusammen!
Vor einer Weile war ich im Zuge der Schultheatertage auch in Aachens „Klangbrücke“ zugegen, einem Theatersaal im ‚alten Kurhaus’, einem wirklich schönen, prunkvollen Gebäude. Oder zumindest war das der Plan, denn durch eine Verkettung von Fehlkommunikationen stand ich dann am Ende mit einer weiteren Person vor verschlossener Türe. Und während drinnen das Stück begann, suchten wir nach einer Lösung.
Diese fand sich dann in Form der an das Kurhaus angeschlossenen Gastronomie, die uns wiederum durch eine Tür in ein Treppenhaus schleusen konnte, von dem aus man – den Ballsaal des Hauses durchquerend und mit der Hilfe einer netten Putzfrau – durchaus zum Theatersaal gelangen konnte. Aber dieser „Spaziergang“ durch die Hinterzimmer dieses doch so schicken Gebäudes, der brachte mich zum Nachdenken.
Ganz explizit geht es mir um jene enigmatischen Orte, die sich sozusagen neben den öffentlichen Plätzen verbergen. Orte, an die niemand geht, oder an die zu einem jeweiligen Zeitpunkt niemand geht, und die eben doch eine Rolle spielen in diesem großen Wirrwarr, das öffentliche Orte immer nach sich ziehen.
Diesen Orten wohnt Magie inne.
Vor dem zweiten Tag der RPC setzte ich den folgenden Tweet ab:
Das ist eine andere Spielart – zumindest war es diesmal Absicht, dass ich durch die bis auf die Aussteller leeren Hallen ging –, aber es schlägt in die gleiche Kerbe. Es ist genauso wie die Augenblicke an unseren Tanzbällen, wenn wir als Organisatoren im Raum stehen, aber die Tore zum Einmarsch der Gäste noch nicht geöffnet wurden.
Dieses Wissen, dass in wenigen Augenblicken Trubel, wildes Chaos und allgemeines Streben diese Räume erfüllen wird – aber gerade, just in diesem Moment, gehören sie einem gewissermaßen selbst. Es ist die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm – aber ich glaube der Kern liegt gar nicht so sehr in dem Sturm, er liegt vielmehr in dieser unerwarteten bis unpassenden Ruhe.
Eine Art solcher Orte sind all jene Bereiche, die man vielleicht „Versorgungsgänge“ nennen könnte. Das Krankenhaus, in dem ich meinen Zivildienst machte, hatte viele davon – ein Zwischengeschoss zu Wartungszwecken, ein zweites Untergeschoss mit Werkräumen und einem sich technisch sogar bis ins U3 herabziehenden Heizungsraum, aber auch ein alter, angeschlossener Bunker nebst Fluchttunnel. Natürlich waren diese Bereiche nicht alle still, aber irgendwie war man halt eben doch zumeist alleine dort, und damit ging eine Unaufgeregtheit, eine sondersame Ruhe einher.
Aber es müssen nicht einmal die „eigenen Gänge“ sein. Als eine Freundin in Aachen noch bei einem RWTH-Institut gearbeitet hat, lag die Bibliothek, in der sie war, innerhalb eines nur mit Ausweis zu betretenden Bereichs. Für mich aber lag eine gewisse Freude darin, dennoch ohne Anmeldung bei ihr aufzutauchen; ein bisschen Timing, ein bisschen „selbstverständliches Auftreten“ und vor allem sich einfach eben von diesen Orten, dem Weg – ein Teil der Route war ein Laufsteg oberhalb einer Werkhalle, der hatte es mir immer angetan – zu ergeben, den man ging.
Keine Ahnung, ob das nachvollziehbar ist.
Schreibe ich hier also von einer Liebe zu Wartungsetagen?
Nein. Ich denke ich schreibe über eine Liebe zu unerwarteten Orten der Zuflucht. Ein ganz anderes Beispiel – vor einigen Wochen hab ich mit einer anderen Freundin in Aachen ein Eis gegessen. Wir hatten etwas Zeit zu vertrödeln vor einem Termin und Eis schien eine gute Option zu sein. Doch die beste Eisdiele (unserer Meinung nach) in der Innenstadt kann vieles, aber eine schöne Lage gehört nicht zu ihren Qualitäten. Ich habe jedoch auch lange in der Innenstadt gewohnt, kannte ein paar Hinterhof-Bereiche und machte mich daher mit ihr auf den Weg.
Die Wirkung aber habe ich selbst unterschätzt. Man tritt von einer ordentlich befahrenen und bei schönem Wetter auch noch an Menschen vollen Straße herunter, geht zwischen einigen Häusern hindurch, eine Treppe herab – und plötzlich ist man in einem irgendwie aus der Zeit ausgelöst wirkenden Bereich, wie in einer Blase, einer Globule, einem Refugium. Nahezu still war es dort, menschenleer, und wenn man nicht in eine Richtung blickend eine relativ verräterische Turmspitze hätte sehen können, es wäre schwer gewesen zu vermuten, dass wir weiterhin inmitten von Aachen waren.
Ich glaube, dieser Effekt rührt daher, dass zwar die Beispiele, die ich bisher hatte – Theater, Messehallen, Tanzballsäle, Institute und Krankenhäuser – auch zugleich Orte sind, die wir mit Trubel verbinden. Aber die Straßen in Aachen sind ein Indiz, dass es weiter greift. Unser Alltag ist Trubel und diese eigentümlichen Momente der Stille und Ruhe, sie sind auf eine unerwartete Weise erholsam. Als geriete man für einen Moment zwischen die Fugen der großen Maschine, die sich Leben nennt und erhielte so die Chance, durchzuatmen.
Und wer will das nicht?
Lustig ist übrigens, wie manchmal völlig unabhängig voneinander gleiche Ideen keimen. Die erste Notiz zu diesem Artikel entstand Mitte Juni – und nur wenige Tage darauf veröffentlichte der Youtube-Kanal The Art Assignment ein Video, das extrem stark in die gleiche Kerbe schlägt und das ich in diesem Sinne auch gerne noch teilen möchte.
Und da The Art Assignment letztlich ebenfalls Teil der Green-Familie ist, gibt es auch noch ein korrespondierendes Vlogbrothers-Video:
Falls jemand Lust hat, seine Gedanke zu dem Thema zu teilen – mein Kommentarfeld steht euch selbstverständlich wie immer offen!
Viele Grüße,
Thomas