Kunst und Leben von Bedeutung (Urlaubsgedanken)

Hallo zusammen!

Wer in den letzten Wochen mit mir zu tun hatte, wusste es vermutlich – ich war einmal mehr in Portugal. Wieder war ich mit dem Ballett-Atelier Alte Zinkhütte aus Stolberg dort, also umgeben von tollen, talentierten und kreativen Menschen. Das alleine ist schon immens.
Zugleich ist die Algarve für mich einer der schönsten Flecken Erde auf diesem Planeten – und das sage ich als jemand, der in der sommerlichen Sonne verbrennt wie ein Vampir. Dennoch, ohne Zögern: einer der schönsten Orte der Welt.

Fotos, Videos und Selbsterkenntnis

Wie immer war meine Saltatio-Co-Trainerin (und Lehrerin im Atelier) Anke bei den Mitreisenden, diesmal aber zudem erstmals meine hier ja schon öfters erwähnte liebste Co-Fotografin Lichte.
Speziell wir beide waren dort, um sowohl die mit der Reise verbundenen Tanzworkshops in Foto und Video zu dokumentieren, und um mit den Tänzer:innen zusätzlich Fotoshootings abzuhalten.
Und oh boy haben wir das. Während ich das hier tippe, kopieren Tausende Aufnahmen auf meinen Rechner, und ich weiß, bei ihr ist es nicht anders.
Aber das, worüber ich heute vor allem schreiben will, geht tatsächlich sehr viel weiter.

Ein Teil des Workshops war dieses Mal anders angelegt, als es in den vorigen Jahren der Fall war. Es war in Passagen deutlich mehr ein introspektiver Workshop, der nicht nur auf Power oder Finesse beim Tanz ausgerichtet war, sondern der den Teilnehmenden ein wenig die Tür öffnen sollte hin zu ihrem eigenen Selbst.
Lichte und ich waren nur zum Fotografieren da, aber selbst wir sind mehr als einmal nachdenklich oder gar emotional etwas aufgewühlt zurück zur Ferienwohnung gewandert.
Und was mir heute davon bleibt, wo ich zumindest körperlich seit mehr als 24 Stunden wieder vollauf daheim bin, ist ein Gefühl von Nachdenklichkeit.

Die Bedeutung der Kunst

Ich beim Fotografieren, Anke genießt das Leben (Foto © 2025 Phil Norgel)

Wir Menschen „vergeuden“ ja schon fast per Definition viel unserer Zeit. Das ist nicht neu, war auch schon an dieser Stelle mehr als einmal Thema. (Etwa hier.)
Aber worüber ich seit der Reise nachdenke, fast unentwegt, ist im Gegenteil eben die Zeit, in der wir etwas schaffen – und die Frage, wofür wir sie nutzen.
Es geht mir dabei auch nicht um das alte Thema, was wir der Welt hinterlassen, wenn wir einmal nicht mehr sind. Das ist verwandt, aber nein.
Vielmehr ist die Frage: Was bewegen wir in den Menschen um uns herum, ganz im Hier und Jetzt, durch alles, was wir tun?
Und zwar nichtmal nur in Form von Kunst.

Was geben wir denen, die um uns sind?

Es beginnt schon bei kleinen Gesten. Wem mal ein Freund oder eine Freundin, romantisch oder platonisch, morgens einen Kaffee oder Tee ans Bett gebracht hat, der weiß vermutlich, was ich meine. Es ist eine kleine Geste, es ist wirklich kein Aufwand, aber es ist eine Prise Geborgenheit, noch bevor der Tag richtig begonnen hat.
Es ist am Ende nicht der Tee oder Kaffee, köstlich wie er sein mag, der den Eindruck hinterlässt. Es ist die Zuneigung, die sich in der Handlung zeigt.

Was aber zeigen wir in dem, was wir schaffen?
Inwiefern ist unser Schaffenswerk nicht nur Ausdruck der uns eigenen Fertigkeit, sondern auch unseres Innersten?

Sich selbst ins Auge blicken

Man kann, wie immer bei Kunst, natürlich ohnehin die Frage stellen, wozu man das wohl braucht. Zynisch gesprochen kann man sogar unken, warum ich überhaupt Tänzer:innen in der Algarve fotografiere, wenn irgendeine Bild-KI so ein Motiv in Sekunden rauseutern kann.
Das Foto aber, es ist nicht nur etwas Reales; es ist nicht nur ein Augenblick, den es wirklich gegeben hat. Es ist auch eine Kollaboration meiner Fähigkeiten als Fotograf und der (beispielsweise) tänzerischen Fähigkeiten der Person vor dem Objektiv (sowie anderer möglicher Helfer), und schon ganz automatisch schaffen wir so etwas Gemeinsames und Neues.
Wenn alle sich auf ihr jeweiliges Handwerk verstehen, dann wird ein ästhetisch ansprechendes Bild herauskommen. Doch es ist nicht die technische Perfektion, nach der ich am Ende strebe. Ich arbeite seit vielen Jahren so gerne mit Anke und generell den Menschen vom Ballett-Atelier zusammen, aber ebenso mit Lichte, weil ich glaube, dass wir alle nach dem gleichen suchen: nach Intuition, nach Gefühl, nach einer tiefwurzelnden Leidenschaft. Es geht um ein Mehr, das seine Arme über die klinische Perfektion hinausstreckt.

Lichte in ihrem Element (Foto von mir)

Kunst jedoch, die in irgendeiner Form unsere innersten Gefühle ausdrückt, macht uns zugleich verwundbar und verletzlich. Immerhin verschwimmt damit auch die Grenze zwischen Kritik gegenüber dem Werk und Kritik gegenüber uns, die wir so viel in das Werk gegeben haben.
Mehr noch: Um das zu tun, müssen wir in einem ersten Schritt unsere Gefühle an uns selbst heranlassen. Unser Zeitgeist ist aber so ironisch und sarkastisch geworden, dass einem dies schwerfallen kann. Authentizität ist ein Wagnis in einer Zeit, in der es zur Norm geworden ist, sein ganzes Außenbild nach gesellschaftlichen und algorithmischen Vorgaben zu formen.
Und nicht nur gegenüber anderen kann es schwer sein und verletzlich machen, uns bestimmte eigene Gefühle einzugestehen, auch gegenüber einem selbst ist das nicht anders. Leben ist hart, und jeder – inklusive mir, vielleicht sogar besonders inklusive mir – kommt an den Punkt, an dem es sicherer scheint, diese Gefühle einzuschließen, wegzusperren, von unserem Selbstbild fernzuhalten.

Am Ende aber, so denke ich seit Tagen, ist dieses Sich-Verletzlich-Machen gerade drum genau der Weg, sein Leben zu leben. Denn wenn wir nicht für diese Gefühle leben, wofür denn dann?

Das größte Brötchen

Keine gute Körperhaltung meinerseits hinter, aber garantiert von jenen vor der Kamera (Foto © 2025 Lichte)

„Ich backe da vermutlich keine kleinen Brötchen mit dem Blog-Thema, das mir vorschwebt“, sagte ich auf der Heimfahrt zu Lichte. Tatsächlich ist es vermutlich das größte aller Brötchen, von dem zu backen wir hier reden.
Letztes Jahr nach unserer Pfingstreise habe ich über die metaphorische Strandpromenade von Middelkerke geschrieben und im gleichen Zuge darüber, dass wir Einfluss darauf haben, wie unsere innere Sicht auf die äußere Welt gestaltet ist.
Heute geht es mir am Ende vielmehr darum, dass wir auch über unsere innere Sicht auf unsere innere Welt gebieten. Denn wenn wir ummantelt von einem dicken Panzer durchs Leben rollen, dann sind wir zwar vielleicht geschützt, aber wir lassen auch nichts von dem wundervollen Licht an uns heran, das uns umgibt.
Und mehr noch: Wir lassen erst recht nichts von dem wundervollen Licht heraus, das in unser aller Herzen leuchtet.

Das Fazit

Einige der Ballett-Tänzerinnen waren sich zuerst unsicher, ob sie Einzel-Fotoshootings wollten. Das sei in Ordnung, haben wir ihnen gesagt – und das auch ehrlich so gemeint. Einzig sollten sie sich sicher sein, dass sie die Chance wirklich nicht nutzen wollen, bevor sie sich – zurück in Deutschland – dann ärgern, wenn der Moment unwiederbringlich vergangen ist.
Und darin steckt eine sehr verwandte Lektion.

Lasst uns also Kunst schaffen. Mutige Kunst, die sich traut, etwas preiszugeben und gerade darum vielleicht auch etwas in dem Publikum berührt, so wie uns die Erfahrungen und Eindrücke in Portugal berührt haben.
Lasst uns den Mut haben, authentisch zu sein – gegenüber anderen und gegenüber uns selbst. Sich verletzlich zu zeigen ist erschreckend, aber es ist keine Schwäche.
Und lasst uns weise genug sein, all dies tun, solange wir es können. Nicht demnächst, nicht nächstes Jahr, sondern hier und heute. Denn – auch das hatten wir hier schon oft, aber es ist und bleibt wahr – wir wissen ja alle nicht, wann der Tag kommt, an dem unsere Chance vergangen ist.

Viele Grüße,
Thomas

Ein Kommentar zu “Kunst und Leben von Bedeutung (Urlaubsgedanken)

  1. Pingback: Im Lande jener, die den Tod nicht verbergen | Seelenworte

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..