Hallo zusammen!
Wie der eine oder andere von euch vielleicht mitbekommen hat, habe ich mich die vergangene Woche (und durchaus bis heute) mit einer bemerkenswert fiesen Erkältung herumgeschlagen. Und weil mein Hirn nicht wirklich aufnahmebereit für anspruchsvolle Medien war, habe ich mich einem meiner geheimen Comfort Foods zugewandt – amerikanische Late-Talk-Shows. (Guilty Pleasure, I know.)
Soweit, so gut. Lange und vermutlich irrelevante Herleitung, worauf ich dabei jedenfalls stieß, war der nachfolgende Ausschnitt:
In diesem Ausschnitt spricht Fry, unter anderem, von Hestia, der Göttin des heiligen Herdfeuers. Das ist für sich genommen cool, weil ich denke, dass er Recht hat mit der Annahme, dass Hestia im Olympischen Pantheon, rund um Zeus und seine Geschwister, definitiv ein wenig untergeht neben Hera, Hades, Poseidon und Demeter. Aber das ist nicht der Punkt, auf den ich hinaus will.
Interessant finde ich durchaus auch seine Analogie, das gemeinsame Mahl und die gemeinsame Küche als Zentrum des Zusammenlebens zu sehen. Interessant auch in erster Näherung nicht mal so sehr aus seinem gegenwartskritischen Gedanken heraus. Interessant vielmehr, weil ich ja nunmal am Wochenende zuvor auch auf dem Rollenspielwochenende war, das eben – neben konkreten Aktivitäten wie halt dem Rollenspiel an sich oder einem ziemlich interessanten Workshop zur Einführung in das Fechten mit dem Langen Schwert (danke nochmal, Klaus!) – nicht zuletzt aus gemeinsamen Mahlzeiten bestand.
Etwas, was tatsächlich im Hobby Rollenspiel in den meisten Runden irgendeine Rolle einnimmt, egal ob man nun füreinander oder miteinander kocht, oder Essen bestellt.
Ich habe das schon immer gemocht. Ich weiß auch, dass andere das teilweise eher kritisch sehen, als etwas, was einen effektiv gemeinsame Spielzeit kostet – was nicht falsch ist (denn das tut es), doch haltet den Gedanken – ich komme darauf zurück.
Man muss aber kein Rollenspieler sein. Es gibt auch andere, ähnliche Beispiele. Einmal im Monat gehe ich mit einigen Freunden in die Sneak ins Kino, und ebenso essenziell wie der Film an sich und ein kurzes Gespräch über das Gesehene nach dem Film, ebenso essenziell ist für mich auch, dass wir vorher noch zusammen flott was essen gehen.
Ich hatte im April ja noch von bewusstem Leben und dem Konzept der Aufmerksamkeit geschrieben, und ich glaube, das greift ineinander. Generell gibt es glaube ich zu oft bereits die Auffassung von Essen als reinem Akt der Nahrungsaufnahme, als ärgerliche, aber unvermeidliche Zufuhrt lebensnotwendiger Stoffe zu der Maschine, die wir Körper nennen. Schon das finde ich ja fundamental falsch; ein immenser Verlust von Lebensqualität alleine dadurch, dass wir der Ästhetik des Essens1 keine Bedeutung beimessen.
Worauf Fry aber den Finger legt, ist finde ich noch komplexer. Schlimm genug, dass wir dann, wenn wir für uns allein sind, Essen vielleicht nur in uns hineinspachteln um Sättigung zu erreichen, statt es mit Genuss zu verzehren. Wenn wir aber schon das Essen unter Freunden und Bekannten nicht mehr wertschätzen, dann ist es weit mehr als nur ein ästhetischer Verlust.
Ich denke zwar, Fry greift mit seinen Beispielen etwas kurz und „jeder hat eine Playstation in seinem Zimmer“ verleiht dem Maß, wie sich glaube ich für viele Menschen die gesamten Lebensumstände in den letzten zehn, zwanzig Jahren verändert haben, nicht wirklich den nötigen Ausdruck und das nötige Gewicht. Auf gewisse Art hat das mehr einen neophoben Klang, der eher vom Kern des Ganzen ablenkt. Zweifelsohne hat er in meinen Augen aber Recht, dass wir auf dem Weg sind, da etwas zu verlieren.
Wie ich so über das Video weiter nachdachte – ich bin übrigens wirklich nicht gut im Nichtstun, sagte ich das schon mal? – fielen mir durchaus zahlreiche positive Beispiele aus meinem Leben ein. Mal davon ab, dass ich mich gerne mal mit Freunden zum Frühstück oder zu einem gemeinsamen Essen verabrede, sind da auch etwa die Schwarzwald-Urlaube, wo wir zwar nicht jede Mahlzeit gemeinsam einnehmen, aber doch viele. Oder die Portugal-Reise letztes Jahr, wo sich Ankes und meine Terrasse nahezu jeden Morgen als Magnet offenbarte, der andere Leute anzog, sich beim Frühstück zu uns zu setzen. Und eben natürlich das Rollenspielwochenende. Wenn ich etwa von der Chance schrieb, „sich mit Leuten auszutauschen, die beruflich z.B. ähnliche Probleme bewältigen müssen wie man selbst“, dann betraf das ja nicht zuletzt die Gespräche während der gemeinsamen Mahlzeiten.
Und natürlich sind Geschäftsessen weiterhin etwas, das auf einer ganz fundamental kulturellen Ebene existiert, um einen Austausch zwischen Menschen zu befördern.
Aber. Aber. Ich denke der wichtige Knackpunkt, wie bei all diesen Themen, ist und bleibt der Alltag. Ich bin selber weit zu introvertiert, um jeden Tag Menschen um mich haben zu wollen. Zugleich aber halte ich es für immens wichtig, jeden Tag zu bestreben, auch den Alltäglichkeiten wie dem Essen ein wenig Bedeutung zu verleihen.
Und sich zu fragen, ob wir eigentlich wirklich in den jeweiligen Momenten gerade ein soziales Miteinander pflegen, oder ob wir nicht Gefahr laufen, dass ein soziales Beieinander daraus wird.
Das kann und muss jeder für sich entscheiden.
Was wir aber gemeinsam festhalten können, ist der Wille, das glimmende Herdfeuer nicht ausgehen zu lassen.
Viele Grüße,
Thomas
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Zwei kurze Klarstellungen, die auszuführen den Text hier aber sprengen würde. Ästhetik meint hier nicht das alltagssprachliche Schönsein, sondern im Sinne von aisthētikḗ die sinnliche Wahrnehmung insgesamt. Und Essen meint den Akt des Essens, nicht nur das Zeug auf dem Teller.
Aber „…, dass wir der sinnlichen Wahrnehmung des Essensaktes keine Bedeutung beimessen“ knallt halt auch nicht wirklich … ↩