Hallo zusammen!
Letztes Wochenende bin ich freitags nach Belgien gefahren, um dort an einem LARP-Con der etwas anderen Art teilzunehmen. Wer LARP jetzt pauschal doof findet, für den habe ich die Tage sicher auch wieder einen Artikel (Zwischenstände stehen ja auch schon wieder an), aber wer dem Hobby wenigstens nicht abgeneigt ist, für den mag dies nun eine nette Abwechslung sein, denn statt um Ritter und Dämonen ging es dort: um die Mafia.
Ein Spartencon?
Unter dem Begriff „Spartencon“ führen wir bei uns im Verein Veranstaltungen, die sich explizit von der LARP-Norm „Fantasy/Mittelalter“ entfernen und in verschiedene Subgenres abtauchen. Ein uralter Artikel im lange stillgelegten DORP-Blog etwa berichtet vom Nimmermehr, meiner ersten LARP-Veranstaltung überhaupt vor nun auch acht Jahren. Abseits dessen gab es rund um Condra beispielsweise mehr mit Cthulhu und ein 1970er-Kalte-Kriegs-Szenario, sowie nun dieses Mal halt einen Trip in das Jahr 1954, wo eine Mafia-Familie nach dem unerwarteten Dahinscheiden ihres Dons vor der großen Hürde stand, das „Amt“ neu besetzen zu müssen.
Und wie schon damals beim Nimmermehr gab es auch dieses Mal mehrere Durchläufe. Sprich: Mit festen Rollen habe ich als einer von zwölf Spielern den Freitag dort verbracht, bis hin zum bitteren Ende – ich komme dazu –, doch direkt am folgenden Tag hat die Orga bereits noch eine zweite Gruppe dort bespaßt. Die gleichen Rollen, aber in neuer Besetzung.
Daraus folgt aber auch, dass ich an dieser Stelle nicht so viel zum Plot sagen mag, denn eine dritte Runde ist durchaus im Gespräch.
Dennoch: Der Plot
Den Aufhänger nannte ich ja bereits in der Einleitung. Der alte Don ist tot, ein neuer Don muss her und die Familia sowie die engen Vertrauten treffen sich in einem Landhaus, um das Problem zu lösen. Natürlich erweist sich das als schwierig, alleine schon, weil es zwei naheliegende Anwärter auf den Posten gibt und beide aus je anderen Gründen zumindest eigentlich keine erste Wahl sein können.
Wie sich das aber für ein gutes Closed-Room-Szenario gehört, hat auch jeder der anderen Anwesenden mehr Gründe, dort zu sein, als nur dem Verstorbenen seinen Respekt zu erweisen und relativ bald begannen diverse mehr oder weniger offensichtliche Ränke sich zu entspinnen.
Was der Orga aber zudem gelang, und was an dieser Stelle nun wirklich nicht verraten sein soll, waren diverse äußere Einflüsse. Dachte man vielleicht nach der ersten Stunde, man habe eine Idee, wie der Hase läuft, belehrte einen sogleich die nächste Stunde wieder, dass man sich nicht zu sicher sein kann.
Mein Charakter
Und welche Rolle spielte ich in dem Spiel? Begrüßen wir zusammen Max Franklin, angehenden Senator im Großraum Chicago mit … Beziehungen zur Mafia, einer durchaus bemerkenswerten Tochter und einer auffällig abwesenden Ehefrau. Erbe und Eigner eines immensen Fleischerei-Imperiums, knallharter Kämpfer gegen Drogen und beherzter Widersacher aller kommunistischen Bewegungen.
Max machte auf jeden Fall viel Spaß zu spielen. Natürlich kam da gerade auch eine sehr gute Besetzung der anderen Rollen hinzu, sodass der Abend schnell die notwendige Eigendynamik entwickeln konnte, aber der starke Senator mit dem tadellosen Ruf, der natürlich nicht unproblematischen Nähe zur Mafia und einigen eigenen dunklen Geheimnissen war definitiv eine tolle Figur.
Das Spiel mit vorgefertigten Rollen ist ja immer eine eher problematische Angelegenheit, da man halt auch den Nerv der Spieler treffen muss, ist aber zugleich unabdingbar in einem so engen, begrenzten und natürlich auf Reibung ausgelegten Szenario wie diesem. Franklin war aber – und ich hatte den Eindruck, für die anderen elf galt das nicht weniger – eine so genau ausgeführte Figur mit so vielen Anknüpfpunkten, um sie mit Leben zu füllen, dass es auf jeden Fall eine Freude war.
Basteln und Bauen
Aber auch wenn der Charakter von den Machern kam, ausgestattet werden wollte er im Alleingang. Die eigentliche Klamotte – Nadelstreifen-Sakko und -Hose, vor allem – ließ sich problemlos und für absurd geringes Geld im Second-Hand-Laden erstehen, aber einige andere Projekte wollte ich doch selber umsetzen.
Dreh- und Angelpunkt war am Ende mein Aktenkoffer. Der war ohnehin ein schöner roter Hering und ein Spielangebot an die anderen, auch wenn das vielleicht fast mehr wie eine Orga und weniger als Spieler gedacht war. Der Koffer hat ein Zahlenkombinationsschloss und die Ziffern waren verdreht, aber den Code hatte ich auf 000-000 stehen gelassen. Meine Hoffnung war, dass es jemand ausprobiert, egal wie unwahrscheinlich es ist, und sich dann wundern kann. Und so kam es.
Was aber war in dem Koffer?
Neben Geldscheinen und Dingen von wirklicher Plotrelevanz gab es zunächst Mal Wahlkampf-Material. Zwar habe ich das den gesamten Abend nicht aktiv nutzen können, aber ich denke es war schon cool, dass man es sah, wenn ich den Koffer geöffnet habe. Und obschon die Aufmachung aus Sicht eines Menschen anno 2014 vielleicht etwas banal wirkt, sie folgt sogar einem historischen Vorbild.
Doch – ganz modern – endete mein Wahlkampf nicht dort, sondern wurde auch von den Produkten „meiner Firma“ getragen. Was uns zu den Dosen „Franklin Beef“ führt. Eigentlich waren es Dosen dänischen Frühstücksfleischs, die ich im Supermarkt die Straße herunter gekauft hatte, vermessen und dann mit neuen Etiketten versehen habe. Von einem kleinen Schreibfehler abgesehen bin ich mit dem Design aber auch durchaus sehr glücklich. Sie transportieren den Eindruck, auf den ich aus war, erwecken ein gewisses Gefühl von „Was zur Hölle?“ eingedenk der Tatsache, dass der angehende Senator sie (zusammen mit einer Gabel und Servietten) anscheinend in seinem täglichen Gepäck im Koffer hat und, ja ach, sie sind einfach ein schönes Detail, denke ich.
Eindrücke
Und wie war’s nun? Toll war’s!
Alle Spieler in meiner Gruppe haben ihre Rollen mit Eifer ausgefüllt, das Haus bot ein tolles Ambiente und schnell war die Atmosphäre sehr dicht. Wie immer bemerkte ich an mir, dass mir Anzug und Krawatte mehr wie eine Verkleidung vorkommen als etwa die Robe, die ich die Woche davor auf dem Tanzball trug. Dazu dann noch ein (nicht gerade schicker, aber seinen Zweck erfüllender) Trilby und japp, es war leicht, für den Abend nicht mehr „ich“ zu sein.
Das Spiel verlagerte sich sehr schnell in viele kleine, konspirative Gesprächszirkel, was es vielleicht einem Element noch stärker ermöglichte, in den Vordergrund zu treten: Die Erinnerungen daran, dass wir uns in den 1950ern befinden. Die Orga hatte gleichermaßen Fernseh- wie Radioprogramm aufgefahren, gemischt aus für das Spiel relevanten eigenen Beiträgen und viel, viel zeitgenössischem Material. Die Musik im Speisesaal und die völlig politisch aus heutiger Sicht untragbare Werbespots in Salon schufen schnell eine weitere Ebene der Stimmung.
Mein Max Franklin erlebte jedenfalls an diesem Abend eine Ereignisfolge, im Zuge derer immer klarer wurde, dass ihm alle Fäden durch die Hand glitten und an deren Ende ein gebrochener Mann stand, den darzustellen ebenfalls viel Spaß gemacht hat. LARP ist ja eine wunderbare Arena, um mit extremen Gemütszuständen zu spielen und das, was mir das Mafia-Con da bot, hatte ich in dieser Form auch noch nicht.
Wie es das Genre eigentlich verlangt – und anders als bei Gruppe 2, was ich auch noch immer spannend finde – endete unsere Geschichte noch auf ganz andere Weise tragisch und in einer Menge Blut, was jedoch in meinen Augen ein absolut perfekt passender, „würdevoller“ Abschluss für all das war, was sich im Laufe des Abends ereignet hatte.
Fazit
Ich mag am LARP ja, dass es einen in Situationen versetzt, die man auf diese Weise sonst in seinem Alltag nicht erleben könnte. Was ich an den Spartencons sehr schätze, ist, dass es die Abgrenzung ein wenig verschiebt. Vieles an dem Szenario ist viel näher an unserer Gegenwart, als es etwa am klassischen Fantasy-LARP wäre; umgekehrt aber sorgen Elemente wie das Radio- und Fernsehprogramm oder eben auch einfach die Aufmachung der Leute dennoch wie elaborierte Störkörper immer wieder dafür, dass man sich daran erinnert, dass es eben nicht heute ist.
LARP bietet einem, mehr als jedes andere im weitesten Sinne narrative Hobby, das ich kenne, die Chance auf neue Erfahrungen. Und dieser Ausflug zur Mafia des Jahres 1954 bildet da keine Ausnahme, sondern vielmehr sogar ein Paradebeispiel und ist für mich definitiv eine der besten Live-Rollenspiel-Erfahrungen der letzten Jahre gewesen.
Viele Grüße,
Thomas
Ich hatte mal einen Cthulhu-Con Endeder 20er zu Sylvester in der Schweizer Botschaft in Peking (Shanghai?), wo sich die Europäer zusammen“kuschelten“. Sowas „Exotisches“ (wo der Dorpcast gerade beim Thema ist) kann man ganz schmackhaft sein. LARP-Episoden-erwähnenswert!
Ja, „Spartencons“ (wie wir sie nennen) sind auf jeden Fall etwas, worüber ich in der Episode werde reden wollen :)
Spartencons, stimmt. Das nutz ich leider viel zu selten, würde gern mal nen ZombieLARP mitnehmen.
Hallo! Gut dann sagen wir „Spartencons“ :-) Ich habe noch nie Zombie, Endzeit oder Sonstiges gespielt… irgendwie bleibt man ja dann doch gerne auch bei dem, was man kennt, also Fantasy-Larp… :-) Deswegen hat mir der Artikel auch sehr gut gefallen, weil ich dort einen Einblick gewinnen konnte :-)
Moin! :)
Das freut mich sehr – genau in so eine Richtung sind die LARP-Artikel hier eh gedacht. Sprich: Ein wenig Einblick in das geben, was ich so je Con erlebt, getan oder gebastelt habe, immer in der Hoffnung, dass da ein paar neue, interessante Einblicke dabei sind :)
Vielen Dank für das Feedback :)
Viele Grüße,
Thomas