Bücher sind keine Verlegenheitsgeschenke

Hallo zusammen!

Seit ich ein Kind bin, begegne ich immer wieder, in der Familie, aber auch im Freundeskreis, einem Vorurteil, dem ich heute den Garaus machen will. Immer wieder stoße ich auf Leute, die das Schenken von Büchern als einfallslose Verlegenheitstat wahrnehmen. Ein Argument, dem ich an dieser Stelle vehement widersprechen muss.
Denn das stimmt so nicht.

Fangen wir einmal mit dem einfachsten Punkt an: Buchgeschenke sind nicht einfallslos. Sicherlich, auf einer gewissen Abstraktionsebene ist es dann zwar „immer ein Buch“, aber es kommt ja nicht auf das Medium, sondern auf den Inhalt an.
Das ist ein bisschen wie ein langsam schon richtig uralter Running Gag bei uns im Freundeskreis, Buchgeschenke eigentlich immer mit etwas zu kommentieren wie: „Oh, man hat dir ein Buch geschenkt. Aber du hast doch schon eines!“
Aber der Schenkende hat sich – idealerweise – ja Gedanken gemacht, hat nicht das erstbeste Buch im Laden geholt, sondern etwas, von dem er glaubt, der Beschenkte müsse es haben. Er hat sich Gedanken gemacht und schon das macht es nicht einfallslos.

Damit verbunden ist aber auch etwas, was ich noch wichtiger finde: Buchgeschenke sind manchmal auch Tore in Welten, die man andernfalls vielleicht niemals durchschritten hätte. So sind Akif Pirinçci, Walter Moers und Matt Ruff etwa Autoren, die ich sehr schätze, denen ich mich aber ohne entsprechende Geschenke vielleicht nie, sicherlich aber nicht allzu bald genähert hätte. Selbst wenn man versucht, aufgeschlossen für neue Ideen zu sein, was die nächsten Leseprojekte angeht, müssen diese Ideen ja immer noch erst einmal irgendwo herkommen. Sicher, es gibt auch andere Wege, etwa Webseiten oder Blogs wie auch meines hier, wo man auf neue Gedanken stoßen kann, oder – heute weniger als früher – Magazine, in denen man Inspiration findet. So sähen die Buchregale von meinem gelegentlichen Kollaborationspartner Matthias und mir ganz anders aus, wenn wir nicht als Jugendliche die Literaturtipps der Wunderwelten rauf und runter gekauft hätten.
Aber man muss immer noch selber den Sprung vom Kopf des Löwen wagen.
Bei Buchgeschenken ist es eher so, als würde einem jemand anderes die Überwindung abnehmen. Auch wenn das jetzt eher so klingt, als würde man in den Abgrund gestoßen. Na, ihr wisst, was ich meine.

Bücher sind Tore an teils wunderbare, teils fremd, teils bewegende Orte. Bücher sind Schatzkisten voller Wissen, die sich öffnen, wenn man sie nur in die Hand nimmt. Aber geschenkte Bücher führen an Orte, mit denen man nicht rechnet und enthalten Schätze, von denen man vielleicht gar nicht wusste, dass es sie gibt.

Aber es gibt noch andere gute Seiten, die so ein Buch hat. Ein geschenktes Buch ist, zumindest in der Lesekultur bei uns hier, vermutlich etwas, wovon der Beschenkte lange hat. Zunächst einmal ist natürlich die Phase des Lesens selber zu nennen, deren Länge aber natürlich stark vom Lesenden abhängt. Aber dennoch, jedes Mal, wenn der Beschenkte das Buch zur Hand nimmt, ist auch das Geschenk noch einmal präsent.
Gleichermaßen gilt das dann aber auch danach im Buchregal, zumindest bei jenen, die grundsätzlich einen ideellen Wert mit ihrer Buchsammlung verbinden. Und das ist ja auch eine schöne Sache. Zwar sollte man Geschenke nach dem Nutzen des Empfängers, nicht gemäß dem Wunsch des Schenkenden folgend auswählen, aber ich persönlich finde den Gedanken schön, dass quer durch mein Buchregal verteilt Erinnerungen an gute Freunde stehen, so wie bei denen auch welche an mich und andere, die wiederum ihnen nahestehen.

Eigentlich wollte ich ungefähr mir diesem Argument diesen Text beenden; so schwebte er mir schon länger im Kopf. Aber es gibt da noch einen Nachtrag aus aktuellem Anlass:

Als ich vor etwas mehr als einer Woche 30 wurde, kamen viele Freunde zu mir und fragten im Vorfeld, was ich mir wünschen würde. Ich sagte dementsprechend, dass man mir nichts schenken müsse, aber wenn sie wollten, wären Bücher immer eine gute Idee.
„Buch geht immer“, habe ich es wohl einer Freundin gegenüber ausgedrückt. Was nicht als Herausforderung gedacht war, aber dennoch offenbar eine war, die sie dann gerne annahm.
Und so begab es sich auf meinem Geburtstag, dass sie und ihr Freund mir ein Paket überreichten und besagter Freund, mein Misstrauen sofort erweckend, noch einmal nachfragte, ob das stimme, dass ich geschenkte Bücher auch immer lesen würde.
Ja, sagte ich, das stimme. Wir hatten uns da im Schwarzwald noch drüber unterhalten und ich finde es als Grundsatz sowohl höflich, als teilweise auch notwendig, um das unbekannte Buch dann auch wirklich in die Hand zu nehmen.
Mein Misstrauen wuchs weiter, als besagter Freund sein Handy zückte und mich diese Aussage auf Video wiederholen ließ. Da hatte ich bereits eine Ahnung.

Sie hat sich bestätigt. Was ich befürchtet hatte, trat ein.
Und dennoch stehe ich zu diesem Artikel, denn es ist interessant, dieses Buch zu lesen, was ich anderweitig niemals angefasst hätte. Und sei es nur aus einem tatsächlich literaturwissenschaftlichen Interesse. Und der freudigen Aussicht, darüber im Nachhinein hier bloggen zu können – denn das werde ich. Oh, wie ich das werde.
Das macht es besser. Aber auch nur irgendwie.
Und darum lese ich derzeit „Twilight“.
Denn ich hab’s versprochen. Und dazu stehe ich.

Ach … verdammt!

Viele Grüße,
Thomas

8 Kommentare zu “Bücher sind keine Verlegenheitsgeschenke

  1. Twilight??? Oh jeh, das ist echt tapfer, ich hab nicht mal die ersten 5Seiten „überlebt“…;-)
    Aber dass die Rezi am Ende Spaß machen wird, kann ich mir gut vorstellen!

    Ich finde es immer schwierig Bücher geschenkt zu bekommen, weil ich eben auch denke, dass man Geschenke nicht einfach abtun sollte – aber von den bestimmt 30, 40, 50 Büchern, die ich in meinem Leben schon geschenkt bekommen habe, kann ich mich leider nur an 2 erinnern, die es in meine „Zum Glück hat mir das mal jemand geschenkt“-Kategorie geschafft haben – Eyre Affair und Yin, falls es interessiert;-) – dann war da noch jede Menge „naja war jetzt nicht so meins“ und einige Totalausfälle, die ich nicht mal bis zum Ende durchgehalten habe…

    Vielleicht bin ich einfach zu engstirnig, oder mir gefällt zu wenig, aber ich möchte einfach nicht immer dieselbe Disskusion führen, warum ich ein Buch, das jemand anderem total gut gefallen hat – so gut, dass er mir eine Freude damit machen wollte, immerhin – irgendwie langweilig, dumm, anstrengend oder unausgereift fand….Und lügen ist auch doof…

    Daher bevorzuge ich es mir Bücher selber zu kaufen, oder mir von meiner Wunschliste schenken zu lassen – traurig aber wahr.

    Aber für den Welten-Eröffnenden-Faktor gibt es ja zum Glück noch ein paar andere Wege!:-)

    • Ich hab noch 15 Seiten vor mir, dann hab ich es geschafft. Ich hab auch eine ganze A4-Seite voll Notizen, viel Gemecker, aber tatsächlich nicht nur, die ich dieser Tage mal in einen eigenen Artikel kleiden werde. Ein bisschen des Teufels Advokaten werde ich spielen müssen, glaube ich ;)

      Und ja, entweder haben deine Freunde wirklich einen schlechteren, nein, inkompatibleren Geschmack als du, oder aber du bist wirklich kritischer als ich. Aber irgendwie ist das auch durchaus ein unterschätzter Soft Skill, der mir über das Germanistik-Studium gekommen ist – spät, aber immerhin –, diese Fähigkeit, auch im ärgsten Dunkel noch ein Licht zu erkennen oder wenigstens danach zu suchen.
      Wobei ich grundsätzlich auch keinen Grund zu meckern habe; im Gegenteil. Wie auch im Artikel genannt, hatten die bisher eigentlich immer ein gutes Händchen.

      Wobei ich umgekehrt auch kein Problem damit hätte, wenn mir einer dann sagt: „Du, das war nichts.“ Einerseits weiß ich es ja dann für die Zukunft, und andererseits kommt das halt vor.
      Führt uns allerdings auch zugleich zu einem anderen Themenfeld, das hier den Rahmen sprengt, nämlich die Frage, ob ein kritischer Blick letztlich zumindest latent immer ein negativer sein muss. Oder eben nicht. Konkretes Beispiel, was ich meine, sei noch einmal „Prometheus“, über den wir ja vor einer Weile noch sprachen. Der ist durchaus reich an Fehlern, teils klein, teils groß – und ich sehe die ja durchaus auch. Aber sie hindern mich nicht daran das, was dann letztlich gut ist, dennoch zu genießen.

      Werde ich tatsächlich noch einmal drüber nachdenken müssen, bevor ich da meine eigene Meinung finde ;)

      Und last but not least: Was ist denn dein favorisierter welteneröffnender Faktor? :)

      Viele Grüße,
      Thomas

      • Zum einen pflege ich gerne das Gespräch – nur dass ich aus gemischten Erfahrungen heraus nicht gerne Bücher schenken lasse, heißt ja nicht, dass ich sie mir nicht empfehlen lasse!:-)
        Ich finde es nur entspannter – auch vielleicht weil eben nicht jeder so locker flockig darauf reagiert, wenn man ihm sagt, dass man sein Lieblingsbuch persönlich doof fand;-) – mir das dann selber anzusehen und zu entscheiden.
        Zum anderen bin ich ja immer noch begeisterungsfähig, was das Einkaufen in tatächlichen Buchhandlungen angeht, auch wenn ich sonst eigentlich alles online kaufe – da kann man dann auch schonmal über Dinge stolpern, die einen überraschen – siehe: http://jellylorum66.blogspot.de/2013/02/the-swerve-how-renaissance-began.html

  2. Es ist ja aber auch ein weiterer Beleg dafür, dass die beiden sich Gedanken über das Geschenk gemacht haben.
    Es war also kein „Das ist ja sowas wie Fantasy, das mag der bestimmt“, sondern ein gezielter… hmmm… Anschlag. ;-)

    • Oh, auf jeden Fall. Und ich habe mich ja durchaus, abseits der Momente, wo ich ‚Oh Gott‘ dachte, auch darüber gefreut.
      Es traf sich eh gut – Gérard muss das gerade auch lesen für seine … Schwägerin, meine ich, weil die ihm das aufgeladen hat, so konnten wir das parallel lesen und uns am Ende des Tages jeweils darüber auslassen, was da gerade auf den Buchseiten passiert ist ;)

      Viele Grüße,
      Thomas

  3. Aus derselben literaturkritischen Neugier habe ich mir den ersten Band mal in der Bücherei durchgelesen….
    Und bei mir gilt für Buchgeschenke: Verschenke nix, was du nicht selber mit Freude lesen würdest.

    • Ich hoffe morgen über Tag irgendwann ein wenig Zeit zu haben, um die literaturkritische Textfassung schon mal zu schreiben; überarbeiten dann tags darauf, oder so ;)
      Wenn schon, dann richtig!

      Und ja, so halte ich es mit Buchgeschenken auch. Zumal ich auch – aber das ist dann auch nichts, was ich allgemein erwarten würde – gerne Bücher verschenke, die ich a) ehrlich gut finde, von denen ich b) glaube, dass sie dem Adressaten gefallen und die c) von jemandem sind, den ich auch privat schätze. Sei es jetzt eher so aus Medien-Kontakt, Neil Gaiman etwa (wobei ich den ja einmal live getroffen habe und der genauso freundlich ist, wie er in Videos oder Texten rüberkommt), oder aber auch von Leuten, die ich privat kenne und schätze, Christian von Aster oder Judith Vogt beispielsweise.

      Übrigens hast du da ein gutes Händchen gehabt, Maria. Ich las gestern Abend sehr fasziniert von den „LARP“-Erfahrungen von Elisabeth I. :D

      Viele Grüße,
      Thomas

    • Hmmm aber wie ist das denn, wenn ich ein Buch nicht gerne lese, weil mir das Thema oder (passiert bei mir öfter) der Stil einfach nicht gefällt, ich aber denke, dass jemand anderem das durchaus gefallen könnte?:-)

      Ich stelle bei Büchergeschenken lieber das b) vor alle anderen, weil nur wenige Menschen erfahrungsgemäß meinen Geschmack teilen und das ja auch nicht müssen sollen.;-)

      So fand ich z.B. Der Schwarm ziemlich mies geschrieben so handwerklich, aber habe ihn trotzdem meinem Vater geschenkt, weil ich genau weiß, dass er wenn überhaupt nur Bücher liest, in denen viel Action abgeht…oder eine Freundin von mir steht total auf Ken Follet, den ich überhaupt nicht ertragen kann, aber wenn es sie freut, warum nicht?

      Bücher, die ich wirklich grottig fand (also wo es über ein „nett, aber nicht meins“ tatsächlich in ein „oh mann warum darf es sowas geben“) umschlägt, würde ich dann aber doch auch niemandem antun, ob er es nun mag oder nicht!;-)
      Das wäre dann der Fall für vorsichtige Umerziehung…

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