Warum Textgestaltung auf Covern wichtiger ist, als mancher meint

Hallo zusammen!

Das ist mal ein reißerischer Titel, was?
Aber dennoch etwas, was ich hier einmal anschneiden wollte – und das aus aktuellem Anlass. Ich lese derzeit einen Fantasy-Mehrteiler von Daniel Abraham, der in Deutschland unter dem Titel „Die magischen Städte“ vertrieben wurde und im Englischen als „The Long Prince Quartett“ erschienen ist.

Immer wieder stoße ich auf das Vorurteil, dass das, was ein gutes Cover ausmache, das Bild sei, und zwar das Bild alleine. Klar, irgendwer dübelt noch den Text drauf, damit man sieht, wie das Buch heißt, aber das wird allenthalben immer mal wieder als sekundär wahrgenommen, scheint es mir. Und eben jene Buchreihe Abrahams kommt da ganz gelegen, um einfach mal ein Gegenbeispiel einzustreuen.

Nebenstehend zunächst mal abgebildet ist der deutsche Titel. Ich fand schon bei Erscheinen 2007 sehr angenehm, dass das Buch einen ganz eigenen Cover-Stil hatte und sich sehr willkommen von dem klassischen Einheits-Material – damals war das die Zeit der Waffen, die im Vordergrund steckten, von den Schwertern der Hennen-Elfen bis zu den Äxten der Heitz-Zwerge – abhob. Dennoch fügt es sich ja durchaus recht homogen in das Bild ein, wie wir uns heute denken, dass ein Fantasy-Buch auszusehen hat. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit.

Wer mir das nicht glaubt, der schaue nun einmal ebenfalls nebenstehend auf das englische Cover. Das Titelbild selber, übrigens von Stephane Martiniere angefertigt, ist das gleiche, wenn auch nuanciert in den Grüntönen unterschiedlich, was aber wiederum ein anderes Thema ist. Die Schrift hingegen ist für hiesige Gewohnheiten völlig atypisch.

Und die englische Ausgabe: A Shadow in Summer

Dieser schräg gestellte Satz wirkt nicht wie einem asiatisch angehauchten Fantasy-Roman entsprungen, sondern erinnert mehr an die Pulp-Geschichten und -Titel der 20er, 30er oder 40er Jahre. Dazu dann gemessen an der deutschen Ausgabe fast „unordentlich“ der an den Rand gedrängte, dafür aber mit Strahlen betonte Name des Autors – sehr eigenwillig.

Ich glaube, wenn mir die englische Ausgabe zuerst untergekommen wäre, das Buch hätte es schwerer gehabt, mich zu überzeugen. Aber ist es demnach unterlegen?
Nicht zwingend.

Was vor allem beeindruckend ist, wie ich finde, ist das Ausmaß der „Verfremdung“, die das eigentliche Bild in der deutschen Ausgabe erfährt. Was ich meine? Der Reihentitel der englischen Ausgabe steht unten rechts auf dem Cover – kann man gut finden, aber steht im wahrsten Sinne des Wortes mehr am Rand. In der deutschen Ausgabe wurde dafür ein kompletter Zierbalken am unteren Rand eingebettet. Und dieser wiederum verdeckt einen guten Teil der Person, die dort an diesem phantastischen Hafen steht.
Wenn ich das englische Titelbild, fernab der Worte, beschreiben müsste, so würde ich auf eine Gestalt mit Stab verweisen, die an einem Hafen steht. In der deutschen Ausgabe, durch einen weiteren Bildausschnitt, aber auch durch das halbe Verdecken des Mannes, liegt die Stadt deutlich mehr im Vordergrund und die Person geht fast unter.
Und das liegt, nicht zuletzt, an der Komposition. Der helle Buchtitel – „Sommer der Zwietracht“ – lenkt den Blick automatisch nach oben; der weitere Ausschnitt zusammen mit den kräftigen Farben fängt den Blick des Beobachters direkt ein. Um nun mit dem Reihentitel noch kontern zu können, legt man ihn auf den Balken, aber zieht dann damit endgültig den Fokus von dem fort, was beim englischen Buch Mittelpunkt zu sein scheint.

Ich will mich an dieser Stelle nicht festlegen, was besser oder was schlechter ist, ganz zu schweigen von der Frage, was wohl der Zeichner bevorzugt. Aber da es einer dieser wunderbaren Beispielfälle ist, die schon fast selbsterklärend sind, wollte ich einfach einmal darauf verwiesen haben, denn das geschulte Auge sieht bekanntlich mehr.

Viele Grüße,
Thomas

Bibliographie:
Abraham, Daniel: Sommer der Zwietracht. Die magischen Städte 1. München: Blanvalet 2007. Bei Amazon kaufen.
Abraham, Daniel: A Shadow in Summer. The Long Prince Quartett 1. New York: Tor 2006. Bei Amazon kaufen.

2 Kommentare zu “Warum Textgestaltung auf Covern wichtiger ist, als mancher meint

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