Gesammelte Gedanken zum DPP 2017 in fünf Schlaglichtern

Hallo zusammen!

Es ist also mal wieder soweit, die Vorrunde vom Deutschen Phantastikpreis hat begonnen und damit wäre es traditionell Zeit, hier auf nominierte Freunde (und eigenen Kram) hinzuweisen; aber dieses Jahr ist irgendwie alles anders.
Das beginnt ganz formal: Der DPP wird dieses Jahr auf der flammneuen Phantastika (2.-3. September in Oberhausen) vergeben, er ist erstmals mit 500 Euro je Kategorie dotiert und – hier wird es gleich crunchy – das Abstimm-Verfahren hat sich auch verändert.

Aber gehen wir doch mal der Reihe nach vor; wer übrigens keine Lust auf meinen langen Text hat, der gehe hier entlang und stimme ab. Kein Ding.

Schlaglicht 1: Ich bin nicht nominiert. (Bisher. Wir kommen sofort drauf.) Wäre im Kern aber auch überraschend gewesen; wer jedoch gerne möchte, meine Kurzgeschichte Vater, sie trommeln wieder wäre in der Kurzgeschichtenkategorie tatsächlich wählbar.

Schlaglicht 2: Das ganze Verfahren ist aber in seinem Kern problematisch. Denn das geht so: In diesem Jahr wurde von einer Jury eine Vorauswahl getroffen. Diese Longlist ist aber bei dem Publikumspreis nicht bindend, sondern nur ein erster Vorschlag. Ein freies Textfeld ermöglicht potenziell auch die Nominierung weiterer Beiträge, die dann ebenfalls für die folgende Shortlist in Betracht gezogen werden.
Nun sind meine Vorlesungen in Empirischer Sozialforschung lange her, aber ich muss nicht groß darauf hinweisen, wo das Problem mit dem Verfahren ist, oder?
Leute neigen dazu, in der Tendenz eher vorgegebene Antworten auszuwählen und Bekanntes anzukreuzen. Selber nachdenken ist unangenehm, wir vermeiden es, wenn wir können. 1 Wenn man die Wahl lässt zwischen eben einer auf den ersten Blick schon mal durchaus passend wirkenden Option und dem aktiven Nachdenken bei einem offenen Feld, dann wird da immer ein Trend zur Vorgabe sein2.
Auch dass diese „Nachnominierungen“ halt anders als die Vorgaben nicht offen zu sehen sind und daher den „Oh, stimmt, das ist ja auch in der Zeit erschienen“-Faktor nicht mitnehmen können, den die fest vorab Nominierten haben, das ist ein Problem. Zumal etwa beim besten Roman jetzt schon 26 (!) Vorschläge da stehen; da ist schnell einer gefunden und genommen.
Das vorherige System hatte zweifelsohne auch seine Schwächen; das sage ich auch nicht obwohl, sondern weil mein Lovecraft und Duve vor einigen Jahren nominiert war. Denn, sind wir mal ehrlich, das kleine Büchlein über das „Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden in den Werken von H.P. Lovecraft und Karen Duve“ ist dermaßen obskur, dass auch die Nominierung damals mit hochgezogener Augenbraue zu sehen ist. Aber andererseits ist gerade das ja die Schönheit komplett offener Publikumspreise.

Schlaglicht 3: Schauen wir uns aber die Jury mal an. Teilweise liest man derzeit in Blogs von einer 3.000-köpfigen Jury, aber folgt man mal der Quelle dieses Zitats, so liest sich das noch mal anders. Dort heißt es dann:

Wir haben für jede Kategorie Leute, die sich beruflich mit dem Thema auskennen, gesammelt, damit sie sich auf eine Longlist einigen. Die Ergebnisse waren nicht immer so optimal, manchmal etwas eindimensional und wir hatten das Gefühl, bei der ein oder anderen Kategorie würde was fehlen. Also haben wir eine Massenmail an 3000 Blogger, Redakteure, Journalisten, Rezensenten etc. rausgeschickt und sie gebeten, uns innerhalb einer Woche ihre Vorschläge einzusenden. Wir bekamen enorm viel Rücklauf […]

Das ist nicht transparent, das ist nicht systematisch zielführend und, ach, es grätscht halt aus oben genannten Gründen massiv in die Idee einer offenen Wahl.
Man kann ja auch Publikumspreise mit Vorauswahl machen; oder man hätte diese Longlist erarbeiten können während man parallel eine offene Frage an das ganze Internet stellt, um das dann anschließend zu mitteln – ich meine, wenn man schon mal 3.000 Leute anschreibt, ist man doch eh schon bei einer weitflächigen Befragung. (Fun Fact zur Relation: Die Quoten deutscher Fernsehsender werden von 5.000 Testhaushalten ermittelt.)
Aber das jetzige System ist halt unfair.

Schlaglicht 4: All das gesagt habend – das bedeutet alles nicht, dass die vorausgewählten Leute allesamt schlechte Wahlen wären. Im Gegenteil. Und ich meine es völlig ehrlich, wenn ich hier nun sage, dass ich mich für die nominierten Freunde freue, die ich dort erspähen konnte. In „meiner“ Kategorie von 2014, den Sachtexten, ist dieses Jahr beispielsweise Julian Eilmann mit seinem Buch „J. R. R. Tolkien – Romantiker und Lyriker“ nominiert; Julian ist der Lehrer der Tolkien-AG des Inda-Gymnasiums, die ich letztes Jahr für Ulisses besucht habe. Und wo wir schon bei Ulisses sind – Battletech ist als beste Reihe nominiert (sowie durch die „Phileasson-Saga“ indirekt auch DSA); darüber hinaus findet man bei den Hörbüchern etwa meinen Kollegen André Wiesler mit seinem „Protektor“, das Privatprojekt von ihm, für das ich ja sogar das Layout gemacht habe. Bei den Grafikern trifft das besonders zu, da sind unter anderem unsere Mystics of Mana-Illustratorin Melanie Philippi, aber auch meine großartige und sehr geschätzte Kollegin Nadine Schäkel nominiert. Und das sind jetzt nur Auszüge.
Kurzum – da sind eine Menge cooler Sachen nominiert, sodass man, wenn man schon nicht nur abstimmen will, auch gleich noch eine lohnende Leseliste mitnehmen kann.
So oder so wünsche ich allen viel Glück; den Nominierten sowie denen, die es noch schaffen nachzurücken!
Abgestimmt werden kann wie gesagt hier.

Schlaglicht 5: Bleibt eine Frage … ey was regst‘ dich so auf, Alter?
Ich weiß, ich nörgle gerne an Preisverleihungen herum; wer hier mal durch das Blog kriecht und dazu noch den DORPCast beihört kann mich zu manchem Preis skeptisch hören. Aber lassen wir das mal außen vor; genauso, wie dass die Phantastika als Veranstaltung ihrerseits ebenso derzeit manche Kritik einfährt. Und Empörung ist ja gemeinhin das neue Chic im Netz und allgegenwärtig; und bevor jemand das einwerfen mag – ja, ich bin froh, dass sich jemand die Mühe macht, den Preis auszurichten. Und ja, ich bin ein klarer Verfechter von „Wer räumt hat Recht“; ihr Preis, ihre Regeln.
Mein Punkt ist ja vielmehr der: Ich finde den DPP in seiner grundsätzlichen Anlage wichtig. Bei allen strukturellen Problemen der Vergangenheit ist er der bedeutsamste Publikumspreis, den wir in der deutschen Phantastik derzeit wohl haben und war mir darum immer ein lieb gewonnener Gegenpol zu der Jury-Welt etwa des Seraph, der ebenso wichtig ist, aber eben eine andere Nische abdeckt.
Was aber dieses Jahr geschieht, arbeitet stark konträr zu dem, was ich am DPP immer mochte. Die Mischung aus monetärer Aufwertung in Form der 500-€-Dotierung auf der einen, und eine diffusere Grundkonstellation durch die empirisch verzerrende Vorauswahl einer intransparenten und zahlenmäßig fast schon eine eigene Abstimmung bildenden Jury nebst ergänzenden Meinungsgebern auf der anderen Seite, verschieben den Preis in eine Richtung, der in meinen Augen in einem gewaltigen Maße die Trennschärfe und Fairness fehlt.
Ich gönne den Nominierten die Nominierung und ich wünsche Freunden, Bekannten und auch einfach von mir wertgeschätzten Autoren allen Erfolg, den sie dort mitnehmen können. Ich würde mir auch wünschen, dass der größere Rahmen der Phantastika und der Versuch eines professionelleren Aufzugs dazu beitragen, dem DPP auch abseits der phantastikschätzenden Echokammer etwas mehr Gehör zu geben. Aufmerksamkeit auch beim genrefernen Massenmarkt.
Die Phantastik, Herrgottnochmal, sie hätte es verdient.

2017 ist das Kind nun vermutlich eh in den Brunnen gefallen. Ich hoffe aber, dass die Kritik gehört und genutzt wird, dann 2018 einige Dinge einfach noch mal anders zu machen.

Wer mehr zum Thema lesen möchte:
Hier geht es zur Abstimmung an sich.
Das Statement der Phantastika zur Jury war oben schon mal verlinkt, ist aber effektiv hier auf Facebook zu finden.
Ebenfalls dort gibt es einen offenen Brief von Mike Hillenbrand, der sich mehr mit allgemeiner Kritik an der Phantastika befasst und somit das Thema hier tangiert, aber auch erweitert.
Auch PhantaNews haben das Thema aufgegriffen und neben einigen ebenfalls hier zu findenden Punkten zudem ein paar formalere Aspekte des Abstimmverfahrens beleuchtet.
Bei Metapunk ist ebenfalls ein kritischer Artikel erschienen.
Und als erster Nachtrag: Judith Vogt hat nun auch ihre Gedanken zum DPP niedergeschrieben und schließt sich an, kann man sagen.
Nachtrag Nummer 2: Klaus N. Frick schreibt im Perry-Rhodan-Verlagsblog zu seiner Sicht auf den DPP, was auch eine interessante Perspektive ist.

Wenn mir mehr dazu unterkommt, dann verlinke ich es gerne auch noch hier.

Viele Grüße,
Thomas


  1. Falls sich da jemand weiterbilden mag, mehr durch Zufall kam das hier die Tage erst raus
  2. Ich meine, hey, beim RPC Fantasy Award 2016 hat in der Kategorie Literatur … Assassin’s Creed gewonnen. Im Zweifel für den bekannten Namen; das ist nicht verwerflich, so sind wir halt. Aber so etwas hilft hier nicht. 

3 Kommentare zu “Gesammelte Gedanken zum DPP 2017 in fünf Schlaglichtern

  1. Pingback: J C Vogt

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  3. Pingback: Allerlei: Von Schweigen, der deutschen Wikipedia und ganz vielen Preisverleihungen | Seelenworte

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