Hallo zusammen!
Zugegeben, es ist eines dieser Worte, das einem wohl nur begegnet, wenn man wenigstens einen oder zwei Schritt auf irgendeinen druckenden Betrieb zugeht, aber dennoch – habt ihr schon mal von der „Fahnenkorrektur“ gehört und euch gefragt, was es damit auf sich hat?
Falls ja, dann will ich euch heute die Antwort geben. (Falls nicht, kriegt ihr sie dennoch, aber hey, was lernen schadet nie, oder?)
Direkt vorweg: Die Fahnenkorrektur hat nichts mit Flaggen zu tun. Es ist – wie so viele schöne, blumige Worte – ein Begriff aus dem Druckwesen und beschreibt einen Prozess, der recht gegen Ende einer Buch- oder Zeitungsproduktion ansteht.
Eine Druckfahne ist eine Art Korrekturabzug des final gesetzten Buches. Na ja, so final, wie es halt vor der letzten Korrekturstufe sein kann. Dieser Abzug, der gerne auch mal Korrekturbogen oder Fahnenabzug heißen kann, geht dann an den Korrektor, in manchen Fällen aber auch an den Autor, und man macht sich daran, die letzten Fehler im Satz zu finden. Egal, ob es nun textliche Fehler sind, die durchs Lektorat schlüpfen konnten, oder auch Pannen, die im Layout entstanden sind – hier geht es ihnen hoffentlich allen an den Kragen.
Der Begriff ist dabei, wie sollte es anders sein, ein historischer und geht auf die Praxis zurück, wie „damals“ korrigiert wurde. Die Korrekturabzüge wurden nicht im Endformat erzeugt, sondern auf größeren Bögen dargereicht. Je nach Verfahren, Zeit und schlichter Herangehensweise konnte es etwa sein, dass je eine Doppelseite auf einem Blatt vorlag, mit viel Platz dazwischen für die entsprechenden Korrekturanmerkungen.
Es konnte aber auch sein, dass komplette Druckbögen teils sogar aufgehängt wurden, um durchgesehen zu werden. Wenn man bedenkt, dass diese Druckbögen auch gerne mal groß genug sind, um bis zu 16 Buchseiten zu beherbergen, dann beginnt man vielleicht auch schnell zu verstehen, wie die Fahne an ihren Namen gekommen ist.
(Druckbögen, auch mal ein Thema für ein anderes Mal.)
Diese Korrekturen werden dann in der analogen Form mit einem Satz recht vereinheitlichter Korrekturzeichen vorgenommen, die übrigens jeder auch daheim findet, sofern er einen Duden zuhause hat. Sie stehen in jenem Teil des Buches, der nicht alphabetisch Wörter listet und in den – meiner Erfahrung nach – die Mehrheit der nicht aus dem Sprachbereich oder der Buchbranche stammenden Leser niemals geschaut hat. Ist aber ganz spannend, vielleicht auch mal ein Thema wert, denn ich muss ehrlich sagen, die normierten Korrekturzeichen sind eindrucksvoll nützlich und können eine Menge mit wenigen Strichen angeben. Ich wünschte mir, meine Klausuren wären damals damit verstehen worden statt mit kryptischen Krakeln und konfusen Linien …
Aber dass ich gerade von der „analogen Form“ gesprochen habe, zeigt schon, dass wie in so vielen Bereichen auch hier der Computer Dinge endgültig verändert zu haben scheint. Auf der Arbeit sind unsere „Fahnen“ letztlich auch nur PDF-Dateien, die als „Korrekturabzug“ dienen. Die Anmerkungen werden entweder per Kommentarfunktion, oder je nach verwendeter App auch etwa mit einem Stylus in die PDF geschrieben und dann entsprechend vom Layout umgesetzt. Das spart Papier, hilft beim dezentralisierten Arbeiten und geht oftmals auch noch schneller. Auch wenn die Frage, ob man auf dem Papier nicht mehr Fehler findet als am Bildschirm, bis heute ein Glaubenskrieg ist – zu dem aber zumindest ich auch keine guten Daten habe, und anekdotische Evidenz reicht mir in dem Fall einfach nicht.
Dennoch habe ich auch anno 201x noch meine Kontakte mit richtigen Druckfahnen gemacht. Bei der Arbeit an Das Lied von Eis und Feuer – Das Game-of-Thrones-Rollenspiel für Mantikore in den letzten Jahren hat der Lektor/Korrektor Karl-Heinz noch ganz klassisch auf Papier gearbeitet. Ich habe die Bücher gesetzt, habe daraus PDFs gezogen, habe sie ihm gemailt, er hat sie gedruckt, kommentiert und mir per Post wieder zugeschickt.
Aber auch bei Zeitungsredaktionen gibt es das Verfahren noch. So habe ich es zumindest in einer Mantelredaktion hier beim Zeitungsverlag Aachen noch erlebt: Die Zeitungsseiten werden fertig gesetzt, dann über einen Drucker in A3 ausgegeben und zur Konferenz gegen 17 Uhr zusammengetragen. Gemeinsam beäugen die Mitarbeiter das Werk – ganz traditionell wie eine „Fahne“ aufgehängt, wenngleich an einer modernen Pinnwand –, ebenso wie ein A3-Abzug in die Korrekturabteilung gegeben wird, um dort durchgesehen zu werden.
Die Anmerkungen zu diesen analogen Korrekturfahnen werden dann wiederum in die digitale Satzdatei eingepflegt, die anschließend elektronisch an die Druckerei übergeben wird. Da greifen Analog und Digital ineinander.
Ich persönlich habe beide Verfahren schon genutzt. Meist ziehe ich meine eigenen Texte zum ersten Korrekturlesen auf Papier – das ist dann aber keine Fahne in dem Sinne, weil es vor dem Layout und damit vor dem Erzeugen druckfertiger Daten passiert – und arbeite meine Funde ein. Die Satzdatei sehe ich stattdessen mittlerweile aber bevorzugt digital am Tablet durch.
Wobei ich da auch noch nach dem perfekt Weg suche.
Aber zusammengefasst kann man sagen, dass eine Fahne in diesem Sinne eigentlich „nur“ ein Abzug der druckbereiten Layoutdatei zur letzten Fehlerdurchsicht ist.
Aber ein Abzug mit zugegebenermaßen ziemlich coolem Namen, oder?
Viele Grüße,
Thomas