Hallo zusammen!
Vor einer Weile schrieb ich hier darüber, dass man nicht nur davon träumen soll, Projekte zu verwirklichen, sondern dass es letztlich essenziell ist, sie dann auch zu verwirklichen. Der Artikel kam gut an und fand viel Zuspruch, was mich freut; er ist aber in meinen Augen nur eine Seite der Medaille. Denn wenn man ihn falsch versteht, dann klingt er vielleicht auch nach einem Traktat für gelebten Aktionismus, und wer mich kennt, der weiß, dass das auch nicht der Wahrheit entspricht.
Nein, im Gegenteil, ich plane gerne, ich denke Projekte sehr gerne gründlich durch, bevor ich den ersten Tastenschlag, den ersten Pinselstrich, den ersten Mausklick mache. Ist das ein Widerspruch?
Ich denke nicht. Warum, darum soll es heute gehen.
Es gibt eine Menge „Achsen“, die vermutlich eine Rolle spielen wenn man versucht, die Entstehung von Kunstwerken jedweden Mediums zu klassifizieren. Talent spielt sicher eine Rolle, Übung aber auch. Eine günstige Gelegenheit und eine Prise Glück sind wichtig, aber ebenso macht es einen großen Unterschied, ob man vorbereitet ist. Ich werde den Teufel tun und versuchen, daraus ein wirkliches Diagramm zu entwickeln, aber den Begriff „Achsen“ habe ich durchaus mit Absicht gewählt; wer von der einen Sache – etwa Talent – mehr hat, kann vermutlich an anderen Enden etwas einsparen.
Das ist dann wie bei den Leuten, die man sicherlich schon aus der Schule kennt: Während man selber in einem Fach, das einem weniger lag, geackert hat um auf eine versetzungsfähige Note zu kommen, kamen diese unvorbereitet und ohne zu pauken in die Klausur und gingen mit ihrer glatten Eins heim. Genauso gibt es halt Leute wie Stephen King, die sich nach eigenem Bekunden hinsetzen und beim Schreiben entwickeln, wohin die Reise überhaupt gehen wird und dennoch in der Lage sind, Texte zu schaffen, die unzählige Leser begeistern können.
Aber diese Leute sind vermutlich Ausnahmen.
Ich saß vor vielen Jahren mal in einem Workshop eines Verlages, den ich hier nicht beim Namen nennen mag. Aus dem Plenum kam die Nachfrage, warum es denn eigentlich immer so lange dauere, bis besagter Verlag mal in die Pötte käme. Was sie die ganze Zeit machen würden, bohrte der Fragende weiter.
„Wir denken nach“, war die trockene Antwort des Verantwortlichen. Das fand ich damals schon interessant – interessant genug, dass es über gut ein Jahrzehnt hinweg im Gedächtnis geblieben ist –, aber zugleich ist es eine Aussage, die denke ich Reflexion verdient hat.
Wie ich im vorangegangenen Artikel ja schon schrieb, ist es wichtig, dass man sich nicht in Wunschträumen verliert von dem, was man eines Tages schaffen wird, denn das ist ein Teufelskreis, durch den am Ende die Seiten weiterhin leer, die Videos ungefilmt und die Leinwand verwaist bleiben. Gibt es also „gutes“ und „schlechtes“ Nachdenken?
Ja, irgendwie schon.
Tom Hillenbrand hat im Mai bei sich im Blog einen ganz guten Artikel mit Schreibtipps veröffentlicht, in dem unter anderem unter Punkt 7 folgendes schreibt:
Manchmal lohnt es sich, über ein Problem lange nachzudenken. Häufig lohnt es sich überhaupt nicht. Das liegt daran, dass wir eine völlig falsche Vorstellung vom Denken entwickelt haben, die vor allem für den kreativen Prozess eher hinderlich als förderlich ist.
Worauf es hinausläuft, ist dieses völlig verkopfte (und verkorkste) Denkerideal, was wir uns im westlichen Kulturkreis zugeeignet haben. Dieser kluge Mann, versunken in seine Gedanken, ein Ellbogen auf das Knie gestützt, das schwer arbeitende Haupt versonnen auf die Hand darüber gelegt. Ein tolles Bild, das Jahrhunderte schon überdauert, aber leider überhaupt nicht zielführend ist.
Wer mit einem Problem konfrontiert ist, kann es möglicherweise dadurch lösen, dass er darüber nachdenkt. Okay. Aber was, wenn nicht?
Erkenntnis ist ein seltsames Biest. Sie kommt nicht, wenn man es ihr befehlen will. Sie findet sich, wenn man etwas anderes tut; wenn man in Gedanken eigentlich gar nicht mehr bei dem Problem verweilt. Es hat einen Grund, dass Agatha Christie als ihren bevorzugten Ort, um ihre Geschichten zu ersinnen, das Tellerwaschen genannt hat. Für manche Leute funktioniert Mediation, also gewissermaßen der bewusste Versuch, das Hintergrundrauschen des Alltags aus den Gedanken zu bekommen. Manche Leute erreichen diesen Zustand durch ablenkende Beschäftigung – einer der Gründe, warum ich gerne auch mal alleine wandere oder abends eine Runde spazieren gehe, liegt darin, dass diese Bewegung draußen genau diese Wirkung auf mich hat. Ich brauche schon meinen Kilometer, bis es soweit ist, aber wenn einmal das richtige Tempo, der richtige Rhythmus von Atmung und Bewegung gefunden ist, gibt auch der Kopf genug Ruhe, dass auch Antworten auf diese ungelösten Fragen eine Chance haben, nach vorne zu treten.
Geht man aber davon aus, ist man wieder gefährlich nahe am Abgrund der nur geträumten Werke, oder?
Was dann am Ende des Tages den Unterschied macht, das ist Fleiß. Das ist nichts, was ich für jemand anderes bewerten wollte; letztlich ist es sogar etwas, was man nur selbst für sich bewerten kann – nur man selbst weiß, ob man fleißig ist. Aber träumen ist leicht. Auf ungelöste Probleme verweisen letztlich auch. Dann aber anfangen, vielleicht auch, wenn in anderen Bereichen noch Fragen ungelöst sind, damit beginnt die Arbeit.
Manche Leute sind von sich aus Arbeitstiere. Das mag sich mit meinem so gerne bemühten Bild der getriebenen Geister überschneiden, aber nicht vollständig. Es gibt Leute, die öffnen morgens ihre Augen und sind voller Tatendrang, bereit, sich dem zu stellen, was der Tag ihnen bieten wird. (Insider-Hinweis: Ich bin keiner davon.)
Und so wundersam es scheint: Hier schließt sich der Kreis. Denn das, was bei mangelndem Tatendrang letztlich dazu dienen kann, dennoch etwas zu machen, das ist am Ende des Tages eine ordentliche Planung. Wie gesagt: Mir fliegt das auch nicht zu und während ich gerade hier sitze und das schreibe, könnte ich auch auf dem Balkon sitzen und lesen. Dann aber käme dieser Artikel vielleicht nie zustande.
Am Ende jeder Woche – also in der Regel sonntags vor dem Einschlafen – mache ich mir eine Übersicht dessen, was in der kommenden Woche getan werden muss. In allen Bereichen: Für die Arbeit, für den Haushalt, für die Hobbys, die Vereine und eben auch die eigenen Projekte. Und am Ende jedes Tages, in der Regel als letzte Tat vor’m Feierabend, überprüfe ich den Auszug dieser Liste für den vergangenen sowie den Folgetag und schaue, was aussteht und ob das, was geplant ist, noch realistisch erscheint. Wenn nicht, passe ich es entsprechend an. Das ist die Makro-Ebene, sozusagen.
Innerhalb von Projekten arbeite ich aber auch nicht anders: Texte untergliedere ich in Sinnabschnitte und halte zumindest vorläufig fest, was ich glaube, inhaltlich dort unterbringen zu müssen. Videos untergliedere ich in entsprechende Etappen, inhaltlich (etwa nach Projekten und Drehtagen) und pragmatisch (Filmen, Schneiden, Farbkorrektur etc.). Diese Übersichten, kombiniert mit den Zeitplänen, lassen mir einen recht sauberen Überblick zukommen, wann was getan werden muss. Und die Beschäftigung mit den Zeitplänen für den Folgetag sorgt eigentlich auch recht verlässlich dafür, dass das unbewusste Denkzentrum seine Arbeit an ungelösten Fragen verrichten kann, wenn ich im Anschluss an die Listensichtung etwa meinen Feierabendspaziergang mache.
Nichts davon ist in Stein gemeißelt; manchmal sind Probleme am Stichtag noch nicht gelöst, dann kann man sie ja noch immer verschieben. Aber ich gehe sie an – und ich tue das auch, angetrieben eben von den Plänen, die ich habe.
Als ich die Videoaufnahmen für Turbolento ins Atelier brachte, wurde mir das noch einmal klar. Das war eh ein hektischer Tag, mit viel Arbeit „auf der Arbeit“ und einem DORPCast, der im Anschluss an die Übergabe auch noch aufgenommen werden wollte. Einer der Verantwortlichen dort kommentierte daraufhin noch, dass es ja schon viel sei, was ich mittlerweile an allen Fronten machen würde – und ich verwies daraufhin halt auf etwas, was ich in anderen Gesprächen schon mal „mein Leben nach To-Do-Listen“ genannt habe.
Vor allem bietet einem dies wiederum auch etwas, was aus einer ganz anderen Richtung daherkommt, aber nicht minder notwendig ist: Man weiß, wann der Tag geschafft ist. Ich habe lange gebraucht, um das für mich zu erkennen, um die Notwendigkeit zu sehen, aber irgendwann ist das Zureden von Freunden doch durchgedrungen. Aber der Irrglaube, dass man mehr schafft, wenn man immer arbeitet, das wird ein Thema für einen anderen Beitrag. Ebenso wie jetzt schon auf der Liste steht, dass ich mein To-Do-Listen-System auch mal exemplarisch und nebst verwendeter Apps hier vorstellen will. Aber ein anderes Mal.
Worum es hier im nächsten Artikel gehen wird, weiß ich dagegen noch nicht 100%. Vielleicht um Protagonisten. Da hab ich auch schon lange was geplant; oder es schmeißt sich was Tagesaktuelles dazwischen? Joy|Passion könnte dieses Wochenende auch fertig werden, ebenso das Alpha-Cover zu Verdorbene Asche.
Na, wir werden es sehen.
Viele Grüße und ein tolles Wochenende,
Thomas