Hallo zusammen!
Heute noch einmal ein Beitrag zu unüblicher Stunde am Nachmittag.
Da schrieb ich im November 2013 darüber, jetzt einen Kindle zu haben und gelobte, zu berichten. Und was kam? Nichts. Das lag nicht mal daran, dass ich keine eBooks gelesen hätte, nee, aber ich fand einfach nicht die Zeit, etwas zu verfassen.
Aber hey, wenn erklärte Papierbuch-Widersacher meinen Notizbuchartikel wertschätzen, dann ist das doch zugleich ein guter Anlass, mal meinerseits eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Bücher aus 1en und 0en
Generell muss ich sagen, der erste Eindruck, den ich damals von der digitalen Papier-Tinte-Technik des Kindles hatte, setzte sich fort. Ich hab keinen hippen Paperwhite oder so, sondern das normale Gerät für 49 Euro – zur Frage warum Kindle und nicht etwa marktfreundlicher was aus dem Tolino-Lager, siehe den alten Artikel –, und dennoch war ich rundum zufrieden. Meine Bücher leuchten ja auch nicht von selbst – und abseits dessen hat das kleine, schwarze Gerät eigentlich alle Leseeigenschaften erfüllt, die auch Papierbücher haben. Optisch.
Wie erwartet fehlt die Haptik, wie erwartet fehlt die Olfaktorik. Da muss man auch gar nicht diskutieren, glaube ich. Wie ich schon immer sagte – den Boxen ist es egal, ob sie eine Schallplatte oder eine MP3 wiedergeben, dem Fernseher egal, ob er ein VHS-Band, eine BluRay oder einen Stream aus dem Netz wiedergibt. Der reine sensorische Output ist – Daten-Qualität mal außen vor – in etwa gleich. Beim Buch aber ist die Interaktion mit dem Medium viel inniger und anhaltender, ich habe es in der Hand, kein Gerät liegt zwischen mir und dem Medium selbst, um die Daten zu interpretieren.
Allerdings merke ich durchaus einen gewissen Entwicklungsprozess bei mir, der dieses ganze Argument auf etwas tönernere Füße stellt. Denn ja, das „Feeling“ ist anders. Aber die Frage wäre ja eigentlich auch viel eher, ob das nun intrinsisch schlecht ist. Und da sehe ich Gesprächsbedarf.
Denn zumindest eben der Kindle hier ist auf jeden Fall auch ein feines Gerät. Ich mag gute Technik und Amazons Lesekiste ist da definitiv zuzurechnen, funktioniert reibungslos, liegt mit und ohne Schutzhülle gut in der Hand – kurzum, auch das Gerät macht Spaß. Und wer beispielsweise auch dem DORPCast folgt, ahnt vielleicht auch schon, worauf das letztlich hinauslaufen mag – auf eine Koexistenz.
Nur, ist es (für mich!) eine auf Augenhöhe?
Schaue wir einmal, was ich gelesen habe.
Worauf ich an sich aus war
Generell könnte ich natürlich quasi alles auf dem Reader lesen. Ich meine, klar, noch ist nicht alles digital raus, aber vieles – und Neuerscheinungen kommen ja ohnehin für „beide Lager“. Aber da ich das gedruckte Buch ja mag, gibt es generell keinen Anlass, da von etwas, was gut ist, fortzuschreiten. Damit ist jedoch nicht die ganze Geschichte erzählt.
Was einer meiner Hauptbeweggründe für das Gerät war und was zugegebenermaßen bisher noch etwas kurz kommt, war die Idee, auch nach der Uni nicht damit aufzuhören, mir die bisher ungelesenen Klassiker der Weltliteratur anzueignen. Und da rockt der digitale Markt natürlich erst mal alles vom Feld, denn die ganzen Public-Domain-Titel sind dementsprechend kostenlos. Somit war mein erstes digitales Buch auch „Wuthering Heights“ von Emily Brontë – ein zurecht gerühmtes, ganz und gar großartiges Buch, das zu lesen auf dem Kindle ebenfalls durchaus eine Freude war. Ich hatte zwar teilweise ein wenig Zweifel an der OCR-Qualität der von mir gelesenen Ausgabe, aber damit kann ich nun wirklich, wirklich leben.
Klar, die Klassiker kosten generell auch als Buch nicht wirklich viel Geld. Allerdings sind diese Ausgaben auch nicht wirklich immer ein echter Lesegenuss. Ob jetzt Reclam mit ihrem (bei vielen, wenn auch echt nicht allen Titeln) günstigen Preis, der aber durch eine unangenehm kleine Schriftgröße im Innenteil aufgewogen wird, oder die zahllosen nicht-wissenschaftlichen Werksausgaben, die zwar oft hübscher, dafür aber auch unfassbar fett sind – will man ein wirklich angenehm zu lesendes Buch, zahlt man halt auch wieder reguläre Preise.
Das ist schon definitiv eine „Killerapp“, wie man neudeutsch sagt.
Die Digital-Only-Titel
Was ich vorher gar nicht so sehr auf dem Schirm hatte, was aber auch nicht uninteressant ist, sind Bücher, die eh nur digital erscheinen. So hat Bastei mit der „Horror Factory“ eine Reihe am Start, die ein wenig an das digitale Pendant des klassischen Bastei-Groschenheftes gemahnt. Ich habe daraus versuchsweise Christian Endres „Crazy Wolf – Die Bestie in mir“ gelesen und muss sagen, für etwa zwei Euro geschätzte 100 Seiten spannende, leichte Unterhaltung zu kriegen war ebenfalls nett.
In Sachen Preis/Leistung kann die DSA-Anthologie „Das Echo der Tiefe“ aus dem mir ja beruflich verbandelten Hause Ulisses nicht mithalten, muss man zugeben. Aber auch hier sind die 2,99 Euro für das digitale Werk, das etwa 60 Druckseiten entspricht, schon deutlich attraktiver als die mit 4,95 Euro bezifferte Druckausgabe.
Kurzum: Für Kurztitel erscheint mir das eBook zugegebenermaßen geradezu perfekt. Die digitale Distribution unterstreicht da auch den Mitnahme-Charakter – wenn ich abends unsicher bin, was ich lesen will und keine Lust habe, schon den nächsten Wälzer anzufangen, dann kauf ich halt kein gedrucktes Buch. Bis das da ist – oder bis ich am nächsten Tag zum lokalen Händler komme – ist der Moment vielleicht schon passé. Hier aber kann ich zugreifen, zahle das Äquivalent eines Hörnchens mit zwei Eiskugeln hier in Aachen und kann loslesen.
Auch das ist definitiv ein Pro-Argument.
Dass es auch hier Gratis-Chancen gibt – während ich das schreibe, ist im Ulisses-eBook-Store gerade Ulrich Kiesows DSA-Roman „Der Scharlatan“ (dank der DSA-5-Beta-Challenge) kostenlos zu haben –, kommt hinzu.
Die Vergriffenen und die Kruden
Wo ich schon den Kiesow erwähnte, sei natürlich noch gesagt, dass digitale Veröffentlichungen auch im Bezug auf vergriffene Titel – denn eine digitale Backlist kann theoretisch ewig vefügbar sein – sowie jene Bücher, die nicht in vernünftiger Qualität zu haben sind, eine Alternative sein können. Bei letzteren denke ich vor allem an amerikanische Taschenbücher. Denn wo deutsche Taschenbücher in der Regel ja durchaus Buchwerke sind, die man mit Freude „verwenden“ kann, hab ich so einige amerikanische Titel, die ich wahlweise gar nicht richtig aufschlagen kann, weil die Bindung schief ist, oder bei denen ich zum Beispiel den Text mit dem bloßen Daumen von der Seite wischen kann. Da verliert die Haptik dann auch schnell ihren Status als Pro-Argument.
Das hab ich allerdings, anders als die vorigen Punkte sowie die nachfolgende Variante, noch nicht selbst getestet.
Und die Freaks
Zuletzt gibt es dann noch die Obskuren. Steven Brust hat einen Firefly-Roman geschrieben, durchaus mit offizieller Ambition, der aber letztlich nicht veröffentlicht wurde. Also hat er „My Own Kind Of Freedom“ als eBook auf seine Seite gestellt – und dank des Readers macht es vom Feeling her keinerlei Unterschied, ob man nun einen „richtigen“ Roman oder dieses Semi-Fanwerk liest. (Und der Roman ist gut geworden!)
Genauso gibt es eine Fan-Übersetzung der Buchadaption des zweiten Silent-Hill-Spiels, aber die ist – ob jetzt durch die Übersetzung oder schon im japanischen Original kann ich nicht sagen – sprachlich so unlesbar gewesen, dass der Reader gar keine Chance hatte, getestet zu werden.
Aber gerade wer vielleicht auch mehr als ich auf Fanfiction steht, oder wer einfach gerne völlige Independent-Bücher kauft, der ist mit dem Reader auf jeden Fall besser bedient als mit einem handelsüblichen Bildschirm.
Bin ich ein Konvertit?
Nein, ich denke diese Frage kann ich verneinen. Auch wenn die gemachten Erfahrungen im Grunde alle positiv sind – wobei es mich an sich weniger wundert, wie gut die Technik funktioniert, und mehr, wie gut sie mir dabei gefällt –, so mag ich letztlich das gedruckte Buch noch immer lieber. Eine Frage, die sich zwischen gut und schlecht abspielt ist jedoch eine ganz andere als eine, die zwischen gut und besser trennt, und das ist insofern denke ich bemerkenswert.
In jedem Fall werde ich weitere eBooks lesen, aber gleichermaßen wird das gedruckte Buch wohl auf absehbare Zeit mein Hauptmedium bleiben. Es gibt ein paar Sachen, da verliert das eBook vorerst noch inhärent – bei den üblichen Readern schlicht bei allem mit Farbe, und so etwas wie Danielewskis „House of Leaves“ kann man halt auch nicht wirklich gen ePub/Mobi übertragen. Tatsächlich ist dieses Argument aber zweitrangig.
Allem voran ist es eine Frage der Präferenz, eine Entscheidung nach persönlichem Geschmack.
Und ja, eigentlich sind Punkte, an denen man sich zwischen zwei guten Alternativen für jene entscheiden kann, die einem schlicht besser gefällt, doch etwas, worüber man sich einfach unumwunden freuen sollte.
Mal sehen – ich halte euch auf jeden Fall weiterhin unregelmäßig auf dem Laufenden.
Nächstes Mal: Zwischenstände!
Viele Grüße,
Thomas
Jaaaaa, komm auf die dunkle Seite, Thomas.
Ach, so weit ist es glaube ich noch nicht :D
Viele Grüße,
Thomas
So fängt es immer an … Ich war ja auch einer der größten E-Book-Verweigerer, bis ich mein erstes iPad bekam.