Hallo zusammen!
Mehr als einmal habe ich hier ja nun schon auf die eine oder andere Weise das Thema Tanz thematisiert. Bildbände wie Ballett im Bunker, Bad Girl oder die kommenden Three Visions etwa, Artikel für die Tanz mit uns, mein jedes Jahr vor Ostern recht oft angeklickter Artikel zum stillen Karfreitag und dergleichen mehr.
Aber, abseits der paar eher generischen Zeilen auf der Tanz-Seite oben im Menü, bin ich auf das Thema ganz an sich, auf das Tanzen an sich, noch nie eingegangen. Und mit dem wundervollen Auftritt am vergangenen Samstag und dem heutigen Tanzball in Düren erschien es mir nur angemessen, das heute einmal loszutreten.
Wer das wiederum alles langweilig findet, das nächste Mal geht es hier wieder um Bücher, versprochen. Wobei es, wie sich zeigen wird, eigentlich gar nicht so anders ist.
Rein biografisch gesehen ist mein Weg zum Tanzen recht klassisch, vermute ich. Alles beginnt mit einer Frau. Aber was so klingt, als sollte es nur in Schwarzweißfilmen zu schwerer Saxofonmusik gesagt werden dürfen, ist an sich relativ unspektakulär. Ich erzähle es dennoch gerne, auch wenn es eigentlich gar kein Ruhmesblatt ist. Mein Plan, so war er nämlich damals, war durchaus ehrlich, einmal zum Tanzen mitzugehen, um danach gleichermaßen ehrlich sagen zu können: „Schatz, ich hab mich bemüht, aber weißt du, das ist nichts für mich.“
Dass ich es wirklich ehrlich meinte zeigt sich vermutlich darin, dass ich mich eines Besseren habe belehren lassen und irgendwo zwischen diesem Punkt und heute, wo ich einer unserer Vereinstrainer bin, ist wohl offenbar etwas passiert.
Aber eigentlich sind es sogar zwei Sachen.
Ich vermute, jeder, der hier jemals mehr als zwei oder drei Beiträge gelesen hat, der weiß, dass ich ein völlig vergeistigter Mensch bin. Ist okay, kann ich sehr gut akzeptieren, aber es kommt halt mit der Einschränkung einher, dass sämtliche semi-rhetorischen Fragen der Sorte „Mensch, kannst du nicht mal einfach nur …“ in der Regel verneint gehören. Insofern ist es nur so halb verwunderlich, dass ich tatsächlich schon Gedanken zu dem Thema Tanz hatte, bevor ich es mal selber versucht habe, geschweige denn, bevor ich zumindest ein Rudiment Ahnung hatte.
Jewgenij Samjatin, ein russischer SciFi-Autor vom Anfang des letzten Jahrhunderts, schreibt in seinem absolut brillanten und Orwell ziemlich vorwegnehmenden Buch „Wir“ beispielsweise:
Warum ist der Tanz schön? Die Antwort: Weil er eine unfreie, eine gebundene Bewegung ist, weil sein tieferer Sinn die vollkommen ästhetische Unterwerfung, die ideale Unfreiheit ist.
Ich fand das schon immer total faszinierend. Da schreibt ein Autor, selber in einem autoritären System gefangen, über ein anderes, futuristisches, aber nicht weniger autoritäres System und lässt in diesem Text seinen Erzähler darüber mutmaßen, warum etwas schön ist.
Natürlich neigt der freiheitlich-demokratische Westeuropäer des 21. Jahrhunderts zum Widerspruch, wenn er von idealer Unfreiheit liest, aber irgendwie lies mich dieses Zitat doch danach einfach nicht mehr los.
Und irgendwie ist es auch nicht ganz falsch. Es geht um Perfektion. Nun muss ich denke ich kurz, nur um Missverständnissen vorzubeugen, einen knappen Satz Klarstellungen vorwegschicken, denn ich meine mit dem, was folgt, nicht die gnadenlosen Tanzschulen, wie man sie vielleicht aus dem Leben, sicher aber aus den Medien kennt. Ich meine keine quasi-industriellen Trainingsstätten, erbarmungslosen Schleifer und bald schon verbrauchte Jungtänzer, ich meine nicht all den Apparat von Assoziationen, den „Black Swan“ wieder aufgewühlt hat. Nein. Spannende Themen, aber nein.
Vielmehr muss ich glaube ich spitzfindig sein und sagen, es geht mir um das Streben nach Perfektion, nicht um das Streben nach Erreichen der Perfektion.
Hä?
Tanz, das ist für mich immer davon geprägt, dem teilweise maximalen körperlichen Einsatz den Anschein von spielerischer Leichtigkeit zu geben. Tanz kann, er muss nicht, aber er kann die völlige Hingabe – körperlich wie geistig – daran sein, etwas von ästhetischem Wohlgefallen zu erschaffen. Es gibt noch eine andere, sicherlich gleichwertige Komponente, aber das nur vorweg, ich komme gleich dazu.
Aber diesen Aspekt der Hingabe, das ist etwas, was ich lange selber gar nicht erkannt habe. Anke, meine Foto-Partnerin und Mit-Trainerin bei uns im Verein, kannte ich zwar noch gar nicht, als ich meinen „Ich hab’s mal probiert“-Stunt nicht geschafft habe, aber dafür hat sie Jahre später das Bewusstsein dafür in mir geschaffen.
Und es ist auch immer das, was ich versuche, in meine Fotos zu legen. Hingabe.
Sicherlich ein zusätzlicher Reiz für mich ist der Aspekt, das Tanz – wie Theater etwa auch – eine jener flüchtigen Künste ist. Eine Tanzdarbietung, aber auch ein Tanz aus Sicht des Tänzers, auch ein Paartanz, dauert nur, solange er anhält. Vielleicht gibt es Fotos, vielleicht gibt es Videos, aber sie sind nur ein Abbild, das niemals die volle Gänze dessen erreichen wird, was in dem Moment da geherrscht hat.
(Die Geisteswissenschaftler unter euch die gerade auf Walter Benjamin und seine Aura-Theorie tippen, liegen ganz richtig.)
Und das macht es wertvoll. Es macht es wertvoll als Erfahrung; und nichts ist persönlicher, inniger als eine Erfahrung.
Es gibt noch ein Tanz-Zitat, was ich gerne anbringe, das ich hier auch schon mal außer Kontext zitierte. Es ist von Isadora Duncan:
If I could say it – I woulnd’t have to dance it.
Ich sagte aber vorhin, dass es zwei Komponenten gäbe, die nahezu gleichwertig sind. Komponente zwei ist dabei leicht erfasst: Es macht unglaublichen Spaß. Also, mir jedenfalls.
Es ist körperlich, es ist anstrengend, es strebt einem ästhetischen Ideal entgegen und es ist eine Form, miteinander zu agieren, wie es keine zweite gibt. Ein wirklich schöner Tanz mit jemandem, mit dem es harmoniert, ist eine unvergleichliche Erfahrung und dass ich mich durchaus schwer damit tue, es in Worte zu fassen, spricht dafür. Darum zitiere ich die Duncan da so gerne – es ist wie bei einer schönen Melodie, einem schönen Lied. Man kann darüber reden, aber man kann es nicht in Gänze erfassen. Ein bisschen wie der Spruch, über Musik zu reden wäre wie zu Architektur zu tanzen. Den mochte ich auch schon immer – und sowohl eine genaue Quellenzuweisung (Steve Martin, meine ich) wie auch die Frage, ob man nicht zu Architektur tanzen kann, sind Fässer ohne Boden, die ich hier heute mal zulassen will.
Ich sagte ja schon – und illustrierte über den Artikel hinweg denke ich auch ganz gut – dass ich ein sehr gedankenschwerer Mensch sein kann. Um vielleicht noch auf eine andere Weise vor dem Hobby meinen Hut zu ziehen: Beim Tanz kann ich das manchmal unterlassen. Nicht immer. Aber manchmal.
Der letzte Aspekt, der sich erst so Ende des letzten Jahres begann einzustellen, ist dann zuletzt das mit dem Training. Ich erkläre ja gerne. Ich schreibe ja auch hier gerne Artikel über den Aufbau von ISBN-Nummern und dergleichen, einfach, weil ich mein Wissen ja gerne teile. (Und weil ich es an sich wichtig finde, Dinge wirklich zu wissen, nicht nur nachschlagen zu können; aber auch das ist ein zu großes Thema für eine einfache Parenthese am Rande.)
Beim Tanz ist es aber sogar noch ein bisschen mehr – denn da greift wieder die Ästhetik mit rein. Ich bilde mir nicht ein bzw. ich maße mir nicht an, mich als „Tanzlehrer“ zu bezeichnen; da hängen eh einige seltsame Konnotationen an dem Wort. Nein, das nicht. Aber dennoch, wenn ich so wie vergangenen Samstag selber mit auftrete, aber auch durchaus mit selbstkritischem Blick sehe, was unser Verein mittlerweile kann, dann bin ich stolz.
Es ist ja nicht nur so, dass wir Sporttrainingsanleitungen geben würden. Haltung, Etikette, Form, es gibt so viele Aspekte rund um den höfischen Tanz, die ich durchaus faszinierend finde. Und es hat eine eigentümliche Befriedigung, wenn man kleine Gesten und Feinheiten an den Leuten wiederfindet und man weiß, das hat er bei uns gelernt. Man hilft den Leuten dazu, sich dem Tanz hinzugeben, vielleicht dem Streben nach ästhetischer Perfektion, vielleicht auch einem Streben nach guten, einfachem Spaß.
Aber es ist mir ein Vergnügen dabei zu helfen. Und vielleicht auch, dann und wann, das eine oder andere „nutzlose Wissen“ in die Welt zu streuen. Das liebe ich nämlich auch, das nutzlose Wissen.
Die Kehrseite ist wohl, dass ihr euch Gelegentlich hier durch das eine oder andere Traktat oder den einen oder anderen Erfahrungsbericht arbeiten müsst. Oder halt einen Blogbeitrag auslasst. Ich denke aber, ihr kommt damit klar.
Und falls, ganz eventuell, der eine oder andere vielleicht sogar versteht, was ich meine oder daran finde, dann habe ich sowieso schon mehr erreicht, als ich zumindest erwarte.
Zum Abschluss, wie im Titel versprochen, ein paar bewegte Bilder von vergangenem Sonntag. Es sind nicht nur „wir“, auch Besucher waren in dem Tanz dabei, dafür ist es zu Livemusik, was … ach, eigentlich fast schon ein eigenes Posting wert wäre. Jedenfalls war es eine tolle Erfahrung!
So, und wenn ihr das gesehen habt, könnt ihr ja mal hier bei den Aachener Templern vorbeischauen, denn die haben nicht nur das Video ins Netz gestellt, sondern waren auch Ausrichter der Veranstaltung am vergangenen Wochenende.
Viele Grüße und ein wunderschönes Wochenende!
Thomas
PS: Falls ich die Zeit finde, stelle ich euch kommende Woche hier mal zwecks Illustration ein paar meiner liebsten Tanz-Videos zusammen. Aber wie egsagt, wenn falls ich die Zeit finde; und vorher gibt esin jedem Fall was thematisch literarischeres.