Seelenworte

Das Meer ist immer gut (Urlaubsgedanken)

Hallo zusammen!

Normalerweise sind meine Urlaube ja auch immer Anlass für ausführliche introspektive Gedanken und ausholende Lebensbewertungen – aber so, wie die Reise, von der ich heute schreiben will, kurz und spontan war, so will ich auch die Gedanken heute etwas fokussierter halten.

Es begab sich, im Vorlauf des Pfingstwochenendes, dass die hier ja schon immer mal wieder erwähnte Lichte und ich eines Morgens miteinander frühstückten und wir realisierten, dass wir beide zufällig einen gleichen Gedanken gehabt hatten: Viel zu lange, so hatten wir erkannt, waren wir nicht mehr am Meer gewesen.
Das führte zwangsläufig zur Folgefrage: Warum genau fuhren wir eigentlich nicht einfach? Ans Meer?

Ein Traum vom Meer …

Das war der Punkt, an dem gedanklich gewissermaßen der Gegenruck begann – schließlich fährt man ja nicht einfach spontan ans Meer. Also … wir jedenfalls nicht. Das heißt: Es wurden rationale Gegenargumente gesucht.
Würden wir, wenige Tage vor Pfingsten, überhaupt irgendwo eine Unterbringung finden? Airbnb lehrte uns: problemlos.
Würde jemand Lichtes Katzen so kurzfristig versorgen können? Jepp, schon die erste Anfrage wurde direkt bejaht.
Was wäre mit meinem freitäglichen Tanztraining? Ha, Co-Trainerin Anke wollte eh einen Termin tauschen und konnte den fraglichen Freitag übernehmen.
Und so weiter.

So sahen wir uns nach einem etwas wirren Vormittag und einer erschöpften Anzahl möglicher Einwände mit einer Erkenntnis konfrontiert: Wir würden dann wohl am folgenden Wochenende ans Meer fahren. Nicht mediterran, nicht tropisch, sondern ganz prosaisch an den belgischen Strand von Middelkerke, aber ans Meer.
Ans Meer.

König Haggard sagt es schon sehr, sehr treffend in Das letzte Einhorn:

Ah ja, das Meer ist immer gut. Es gibt nichts, was ich sehr lange anschauen kann, außer das Meer.

Das Meer ist immer gut.
War es auch dieses Mal. Natürlich.
Und jetzt könnte man dies hier, und damit den ganzen Artikel, sicherlich einfach unter „Die beiden waren offenbar ohne Aufsicht“ verbuchen und abhaken, aber ganz persönlich für mich – und damit vielleicht ja auch in Verlängerung für euch – steckt da eine durchaus wichtige, weitere Erkenntnis drin.

Als wir dann Freitagabend am Strand standen, die Füße im Sand vergraben, als der laue Seegang unsere Knöchel umspülte und der Wind den Duft von Salz und Seetang zu uns trug, dämmerte mir etwas, was sich irgendwie gleichermaßen trivial und profund anfühlte. Wir waren dort.
Wir hätten nicht dort sein müssen. Ganz viele Gründe hätten sich blind akzeptieren lassen, warum wir nicht dort sein würden, aber wir waren dort. Wir standen am Meer. Wir waren drei Tage lang am Meer, wir hatten Sand an den Füßen, haben belgische Unanständigkeiten gegessen, sind mit Möwengeschrei aufgewacht – und das alles im Grunde einfach nur, weil wir es eben gemacht haben.
Anstatt es nicht zu machen.

Wir waren nicht fahrlässig. Wir haben keine wichtigen Termine versäumt, die Arbeit geschwänzt oder unverhältnismäßig Geld ausgegeben. Es geht mir mit keinem Wort darum, dass man sich den Verpflichtungen des Alltags entzieht.
Doch wenn wir von der Normalität des Alltags sprechen, nehmen wir in diesem Begriff die Existenz einer Norm vorweg, wie Alltag zu funktionieren hat. Es ist so leicht, eine Reise nicht zu machen, ein Zimmer nicht ungewöhnlich zu renovieren, nicht auf ein Konzert zu gehen oder auch schlichtweg nicht die verrückten Klamotten zu tragen, die man morgens im Schrank gesehen hat.
Weil man’s nicht macht. Nicht mal, weil es tabu oder verboten oder verpönt ist, nicht mal aus Bangnis im Angesicht sozialen Drucks, sondern einfach, weil man sowas halt nicht macht.
Obwohl man’s auch einfach machen könnte.

Ich, gerade auf der Jagd nach Fotos (das Foto selbst © Lichte)

Wir hatten einen phänomenalen Kurzurlaub. Es wäre sehr leicht gewesen, Gründe zu finden, einfach keinen Kurzurlaub zu machen; aber es wäre ein brutales Versäumnis gewesen.

„Lichte“, sagte ich mehr als einmal (oder fünfmal) ungläubig zu ihr, „wir sind am Meer.“
Obwohl es völlig absurd erschien.
„Thomas“, sagte sie ebenso oft zu mir, „wir sind am Meer.“
Denn es war wahr.

Lichte ihrerseits auf Foto-Jagd

Es gibt noch eine ganze Handvoll anderer Aspekte dieses Urlaubs, die eigene Artikel verdienen. Zwingend werde ich – allerdings erst demnächst mal – darüber schreiben müssen, wie erfrischend es aus Fotografen-Sicht war, mit einer anderen Fotografin zu verreisen; da wird es dann wohl viel um geteilte Leidenschaft zum gemeinsamen Kunsthandwerk gehen.

Aber wenn es ein Takeaway dieser Reise gibt, die eine Lektion, die weit über das Thema Urlaub hinausgeht, dann diese: Macht ab und zu Dinge, auch wenn sie unvernünftig erscheinen. Macht die Dinge, die man nicht macht.
Respektiert natürlich stets die Menschen um euch, doch: Das man etwas ’halt nicht tut’, heißt nicht automatisch, dass es eine schlechte Idee ist. Es heißt erstmal nur, dass andere Leute es nicht tun – und wer weiß, vielleicht ist es dennoch genau das, was ihr gerade braucht.

Vielleicht folgen euch dann Blicke, weil eure Kleidung ungewöhnlich ist.
Vielleicht sind Besucher überrascht, weil ihr euer Schlafzimmer in königlichem Purpur gestrichen habt – einfach, weil ihr es könnt.
Und vielleicht steht ihr, ohne dass es vorherzusehen war, ganz plötzlich und unverhofft mit einem anderen, kostbaren Menschen am Meer.

Und das Meer, der Teil bleibt unbestritten, das Meer ist immer gut.

Viele Grüße,
Thomas