Von der bedingungslosen Hingabe zum eigenen Kunsthandwerk
Hallo zusammen!
Es ist noch gar nicht so lange her, da redeten gefühlt „alle“ über Taylor Swift. Also, klar, das als Aussage ist allgemein fast immer wahr, aber konkret geht es mir um die Eras Tour.
Durchaus nicht ohne Grund, denn ja: Das Level, auf dem diese Veranstaltungen stattfinden, dieses Zusammenspiel von hochmoderner Technik mit meisterhaftem Wirken auf und hinter der Bühne ist wahrhaftig beeindruckend. Wer mich kennt, ahnt aber schon, es geht mir eigentlich um was ganz anderes. Und zu Recht, denn mit diesem gedanklichen Bild von gefüllten Stadien ist – pardon – die notwendige Bühne bereitet für das eigentliche Thema meines heutigen Artikels.
Reden wir also über das Open Air in Berzbuir.
Das was, und wo genau?!
Berzbuir ist ein 500-Seelen-Fortsatz von Düren und im Sinne dieses Artikels ist die wichtigste Info vorweg: Es ist im Nirgendwo. Ich meine das wertfrei wenn nicht gar von Herzen positiv – es ist ja immer noch ein bekennender Wahl-Eifler, der das hier schreibt. Dennoch, denkt nicht an LED-Wände und wogende Menschenmassen, denkt an etwas zwischen Garten- und Dorffest mit einer Bühne.
Und vielleicht am wichtigsten, denkt an Menschen mit viel guter Laune.
Es gäbe ganz grundsätzlich eine große Menge positiver Dinge, die ich über den Tag sagen könnte. Etwa die Tatsache, dass diese Veranstaltung krachender Musik scheinbar ohne jede Müh’ sowohl Menschen mit Behinderung als auch Kindern einen sicheren, friedlichen Raum geboten hat. Im Gegenteil, richtig liebevoll wurde dort sogar Raum auf der Bühne gegeben – Inklusion geht so einfach, wenn nur alle wollen.
Aber das wäre ein Thema für ein anderes mal. Reden möchte ich heute vielmehr über die bedingungslose Hingabe derer, die dort aufgetreten sind.

L‘art pour l‘art
Manchmal, wenn ich in meiner eigenen Branche – also der Publizistik im weiteren Sinne – mit Leuten rede, die „es geschafft haben“, dann schwingt da nicht immer, aber manchmal so eine Form von ungewollt herablassendem Ton mit. Den bemerke ich, wenn von aufstrebenden Kunstschaffenden gesprochen wird, die noch am Beginn ihres Weges stehen, oder eben auch von Events die unter einer bestimmten Schwelle liegen. Oft geht ja beides Hand in Hand.
Und ich könnte vehementer nicht widersprechen.
Gerade wenn wir von vergänglicher Kunst reden – also all die Laientheatergruppen, Tanzaufführungen abseits der etablierten Companies, aufstrebende Stand-Up-Comedians und eben auch Bands und Musiker – dann sprechen wir da von Formen des Kunstschaffens, vor denen ich ehrlich Ehrfurcht habe.
Das, was auf der Bühne geschieht und danach schlichtweg vergangen ist, ist ein Moment zwischen Kunstschaffenden und Publikum. Wenn der Akkord verhallt, haben nur jene, die dort waren, ihn gehört und für alle anderen ist er in die Unerreichbarkeit verklungen. Natürlich kann es auch in dem Bereich Aufzeichnungen der Auftritte geben, aber anders als bei den meisten meiner Kunstformen ist es in diesen Fällen vor allem anderen der Live-Moment, wo alles strahlt. Diese Momente – sie kommen und enden, und das im tiefsten Kern ephemere Werk wird in sich selbst dadurch vergänglich. Und wertvoll.
Meine Artikel, meine Bücher sind – im Rahmen der Vergänglichkeit aller Dinge – konsistent. Diesen Artikel hier könnt ihr auch morgen noch lesen. Oder übermorgen.
Doch wer nicht letztes Wochenende in Berzbuir stand, wer nicht – wie wir – etwa die Auftritte der Tasty Trashpandas oder Ape Shack! live gesehen hat, für den bleiben sie unerreichbar vergangen.
Wer aber da war, der hat eine Erinnerung geformt. Eine Erinnerung, gemischt aus der coolen Musik auf der Bühne, der schönen abendlichen Sommerstimmung und den großartigen Menschen um sich herum. All dies ist Teil dieser ephemere Darbietung des Werks – jedoch begründet auf dem Fundament, das die Bands legen.
Lasst uns also noch einmal über eben die reden.

Auftreten und abliefern
Alle, die auf eine Bühne oder anderweitig vor Leute treten und – platt gesagt – abliefern, sind absolute Königinnen und Könige in meinen Augen.
Zum einen sind da all die Proben, die Überlegungen, teils Jahre des Trainings – also all der Vorlauf, der nötig ist, um an den Punkt zu kommen. Nur weil das Publikum (noch) keine Hallen füllt, schmälert das hier weder den Einsatz der Kunstschaffenden noch den all jener, die hinter den Kulissen rotieren und helfen, all das möglich zu machen.
Und wenn man mal einen Künstler – egal ob nun Musiker wie hier, oder Schauspieler, Poetry Slammer oder anderes – erlebt hat, der oder die vor dem Auftritt vielleicht sogar noch in den Seilen hing, nur um dann auf der Bühne einfach alles zu geben, dann ist das für mich immer wieder ein beeindruckendes Erlebnis.
Aber es steckt auch noch etwas drin: Wer mit seiner eigenen Kunst vor andere Menschen tritt, der macht sich immer verletzlich. Sei es, weil man unsicher ist ob das Publikum den eigenen Einsatz honorieren, die eigene Begeisterung teilen wird. Oder sei es, weil etwas Persönliches in dem Werk steckt und eine Kritik daran somit immer auch zumindest auf mancher Ebene eine Kritik am eigenen Innersten ist.
Das erfordert Mut – egal wie groß oder klein das Publikum ist, es erfordert immer Mut.
Und es sagt für mich so viel positives über Menschen aus, dass auch heute noch immer so viele gewillt sind, sich letztlich selbst zu riskieren, weil sie den Antrieb haben, ihre Kreativität mit anderen Menschen zu teilen.
Meine Bühne ist oftmals das Internet oder eben das gedruckte Buch. Es kommt selten vor, dass ich vor Leuten auftrete – vielleicht mal angesehen vom freitäglichen Tanztraining, denn wer mich gut genug kennt, merkt vielleicht, dass auch das in vielerlei Hinsicht eine performance ist.
Umso mehr aber habe ich tiefen Respekt vor jenen, deren Bühne … nun … eine Bühne ist. Kein nachträgliches Editieren, keine langen Überlegungen im Nachhinein, was man wie anpassen oder drehen könnte, sondern nur der eine, dafür aber völlig ungefiltert intensive Moment im Angesicht des Publikums.
Und jetzt?

Mehrere Dinge: Zum einen, wenn ihr Apple Music oder Spotify habt, hört doch mal bei den Tasty Trashpandas oder Ape Shack! rein.
Zum zweiten, wenn ihr ihm weitesten Sinne aus dem Dürener Raum seid, merkt euch das Berzbuir Open Air doch mal vor, es ist echt eine gemütliche Veranstaltung.
Aber viel allgemeiner: Preiset ein wenig jene, die sich mit ihrer Kunst live vor Leute wagen. Besucht Freunde bei ihren Auftritten, aber schnappt euch auch einfach mal liebe Menschen und gönnt euch eine gute Zeit mit – beispielsweise – Live-Musik.
Manchmal sind – vielleicht gerade in unserer durchdigitalisierten Zeit zwischen produziert-unrealistischen Idealen und künstlich-generativen Inhalten – ein paar dröhnende Gitarren genau das, was es braucht, euch ein wenig zu erden.
Viele Grüße,
Thomas






Wen hingegen meine berufliche Arbeit als Verlagsleiter und leitender Layouter für Ulisses Spiele interessiert, findet