Ich habe Bücher gelesen: Q4/25

Hallo zusammen!

Fast ist das Jahr vorbei, und somit ist es Zeit, meinen Lese-Rückblick auf das vierte Quartal 2025 zu werfen. Es ist der fünfte seiner Art, sprich wir stoßen somit auch vor in Jahr 2 meiner Rubrik Ich habe Bücher gelesen, die übrigens neuerdings auch in der Kopf-Navigation dieser Seite als Unterpunkt vom Blog zu finden ist.

Aber legen wir los:

James Islington: Die Licanius-Trilogie

The Shadow of What Was Lost, An Echo of Things to Come, The Light of All That Falls

Im Grunde waren die Bände der Licanius-Trilogie ein völliger Blindkauf für mich, einfach rein, weil ich die englischen Titel1 so ansprechend fand. Aber was ein Volltreffer es dennoch geworden ist!
Die Trilogie besteht – man sieht es ja auch oben auf dem Foto – aus drei ziemlichen Wälzern, aber mich hat sie zügig in ihren Bann geschlagen und dann auch erst am Ende wieder losgelassen.
Generell gliedern sich Leser:innen im Fantasy-Bereich glaube ich in zwei Gruppen – die, die Bücher wegen der tiefgreifenden Charaktere lesen, und jene, die Bücher wegen eines klug gewobenen Plots verschlingen. Licanius ist klar für die zweite Gruppe.
Die Figuren der Handlung sind durchaus nett, ich habe viele davon während der Lektüre in mein Herz geschlossen, aber was Islington hier mit seiner Handlung gewoben hat, ist atemberaubend.
Es ist eine komplexe, verschachtelte Geschichte, in der einige sehr unterschiedliche Erzählperspektiven unterschiedlich verwobene Informationen besitzen, in der Ereignisse aus verschiedenen Winkeln in wild unterschiedlichem Kontext stehen können und bei der alle Handlungsstränge – und das ist für mich eine Meisterleistung – zum Ende hin alle befriedigend aufgelöst und aufgeklärt sind.
Es ist in gewisser Weise eine ineinander verschränkte gigantische Sammlung von Mystery-Boxen, die jedoch alle Sinn ergeben und zum Ende hin vollständig erklärt sind.

Es ist an dieser Stelle nicht einfach, genauer zu formulieren, worum es in dem Buch geht, weil für mich durchaus ein großer Reiz auch davon ausging, genau das nach und nach zu begreifen. Es beginnt mit drei jungen Menschen an einer Magier-Akademie, und es endet an einem sehr, sehr, sehr anderen Flecken. Dazwischen sind Dutzende Figuren auf- und in vielen Fällen abgegangen und zahllose Geheimnisse wurden enthüllt. Dass manche Figuren auf die eine oder andere Weise unzuverlässige Erzähler sind und dass unglaubliche viele Leute auch manchmal schlicht lügen oder falsche Namen verwenden, macht das Puzzle nur umso komplexer.
Eher abstrakt gesprochen ist das Buch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob in einer streng deterministischen Welt so etwas wie freier Wille existieren oder auch nur eine Rolle spielen kann, vermischt mit der Frage, wann ein Zweck die Mittel rechtfertigen mag und wie weit man für das Gemeinwohl zu gehen bereit ist; konkret stecken aber auch diverse tapfere Menschen spitze Gegenstände in Feind und Freund.

Ich liebe alles daran. Man kann ja oft bei Fantasy-Zyklen froh sein, wenn sie ein Ende haben, aber so bravourös? Schwer zu toppen.

Carla Capellmann: Auf Eifelwolke Nummer Sieben

Okay, Kontrastprogramm. Ich weiß. Dieses Buch war Teil eines anhaltenden Leseprojekts von Gérard und mir, bei dem wir uns Bücher außerhalb unserer Lesegewohnheiten nehmen, lesen, und uns währenddessen darüber in einem gemeinsamen Chat (nicht zuletzt zum Amüsement seiner mitlesenden Ehefrau) austauschen.2
Dieser Kontext ist wichtig, denn mir ist klar: Ich verlasse hier meine Komfortzone und nur weil mir etwas nicht gefällt (Spoiler, schätze ich), heißt das nicht, dass es anderen nicht hervorragend gefallen kann.

Aber ja: Mir hat das Buch nicht gefallen.
Es erzählt die Geschichte von Liane, die eher impulsiv in der Eifel ein Haus kauft, sich darüber mit ihrem Freund zankt und sich relativ zügig darüber nicht nur in einem, sondern irgendwie in zwei Liebesdreiecken befindet, irgendwo zwischen ihrem Makler Joop, ihrem Noch-Freund Matthias und dem empfindsamen Paul. Außerdem gibt es eine Nebenhandlung um eine ganze Gruppe einheimischer Frauen, die Liane schnell in ihren Kreis aufnehmen und mit denen sie gemeinsam bald für einen Bauchtanz-Auftritt bei einem örtlichen Fest probt. Und es gibt noch eine Tertiärhandlung um einen verstopften Abfluss (!), bei der ich nicht mal wüsste, wo ich anfangen soll.

Mein großes Problem war, dass das Buch für mich auf keiner Ebene wirklich funktioniert hat.
Es hat mich nicht durch seine Charaktere begeistern können, denn die sind im Grunde alle flach und handeln aus meiner Sicht vor allem erratisch – macht da mal einen Pin rein.
Es hat mich aber auch nicht durch seinen Plot begeistern können, denn da hat es nahezu keinen.
Es hat mich aber auch nicht mit seinem Humor begeistern können, denn der hat für mich schlicht nicht funktioniert. Wie gesagt, Zielgruppe und so; für andere zog der offenbar schon, wie mir diverse Online-Rezis aufgezeigt haben, aber … für mich nicht.

Was das erratische Verhalten betrifft – ich glaube, das ist der Punkt, wo ich vermutlich einfach der maximal falsche Leser für dieses Buch bin. Nahezu alle Konflikte der Geschichte lassen sich mit „nun redet doch einfach mal miteinander, in ganzen Sätzen!“ zusammenfassen. Aber dazu kommt es nicht, oft weil Liane sich nicht traut, etwas zu sagen und deshalb sehenden Auges zur nächsten Katastrophe gezogen wird. Aber auch die anderen kriegen ihren Mund oft nicht weit genug auf.
Besonders kritisch ist all das in einer Konstellation, bei der ich das Gefühl hatte, das Buch möchte mir da etwas als irgendwie romantische Avancen verkaufen, was – da waren Gérard und ich uns einig – aus unserer Sicht eher höchst unangenehmes, grenzüberschreitendes Love Bombing ist.
Die sehr wenigen Fragmente eines echten Konflikts, die nicht in diese weite Klammer fallen, lösen sich dann am Ende noch per maximal unverdientem deus ex machina in Wohlgefallen auf und ein letztes, künstlich erzeugtes Drama später – ihr wisst schon, das eine Missverständnis auf der Zielgeraden, wo das große Glück dann plötzlich doch noch mal in Gefahr erscheint – und dann ist es vorbei.

Das Buch hat dazu dann noch in ein paar Aspekten eine für mich eher problematische aber im Text vollkommen normalisierte „ach komm, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß“-Promiskuität am Leib und ist gleichzeitig irgendwie so spicy wie’n Zwieback, aber all das läuft eh ausnahmslos an einem Punkt zusammen:
Ich bin nicht die Zielgruppe. Und aus dieser Perspektive gesprochen: Wer wie ich nicht Zielgruppe ist, der lässt das Buch lieber auch vollumfänglich liegen.

Darwyn Cooke, Ed Brubaker: Catwoman – Trail of the Catwoman

Es gibt wenig, was ich am ganzen DC-Universum so mag wie Comics, die sich mehr in Richtung Krimi und Detektivgeschichte bewegen. Klar, Batman an sich stammt aus den Detective Comics, aber das ist als Label mal mehr, mal weniger zutreffend. Ed Brubaker hingegen ist ein Name, der mich was das Genre betrifft im Grunde noch nie enttäuscht hat – und kombiniert damit, dass ich DCs neue „Compact Comics“-Linie mit ihren unschlagbaren Preisen unter 10€ für hunderte Seiten mal antesten wollte, fand dieses Büchlein hier seinen Weg zu mir.
Und ich bin froh, dass das so kam, denn obwohl es in seinem Ton etwas gemischt ist und neben Brubaker eben auch Darwyn Cooke Teile davon geschrieben hat, war es am Ende doch insgesamt extrem mein Fall.
Zu Beginn des Comics gilt Catwoman als tot, bizarrer Weise nachdem sie zuvor Selina Kyle ermordet haben soll. Umstände aber zwingen sie dann doch zurück nach Gotham City und auf den folgenden etwa 300 Seiten wohnt man dann bei, wie die ehemalige Meisterdiebin sich zunehmend im Angesicht der grassierend korrupten Cops von Gothams East End immer mehr zu einer Beschützerin derer entwickelt, die sich nicht selbst schützen können.
Alles in allem hat das Buch drei große, in sich geschlossene Handlungsbögen und noch eine Handvoll Nebenstrecken und alles davon hat mir Spaß gemacht.
Klare Empfehlung – und der Name „DC Compact Comics“ wird hier nicht zum letzten Mal gefallen sein.

Und sonst waren da noch …

  • Hickman, Jonathan et al.: Aliens vs. Avengers ist ein Comic, der für mich auf den ersten Blick einzig wie ein schamloser Multi-Franchise-Cash-Grab wirkte. Dann versicherte Patrick H. Willems jüngst in einem Video, dass das Buch mehr sei als genau das … aber ich bin mir nach meiner Lektüre unsicher, ob er Recht hat. Es ist nicht lieblos, das nicht; aber es hat mich völlig emotionslos zurückgelassen.
  • Hurst, Elise: Das Buch, das auf deine Geschichte wartet ist gewissermaßen ein Bilderbuch ohne die begleitende Geschichte. Faszinierende Illustrationen laden tatsächlich dazu ein, sie mit der eigenen Phantasie und erdachten Geschichten zu füllen. Das Vorwort von Gaiman ist rückblickend bedauerlich, zumal unnötig.
  • Khaw, Cassandra; Gornichec, Genevieve; Starling, Caitlin: Walk Among Us sammelt drei komplett voneinander losgelöste Novellen, A Sheep Among Wolves, Fine Print und The Land of Milk and Honey, in einem einzigen Buch. Da ich hier aber mal wieder ausgesprochen befangen bin3, belasse ich es bei: Ich hab’s gerne gelesen.
  • Marvick, Louis: Choral für Stimmen aus Stein und Asche4 ist ein spannendes Stück Buch. Musikschüler:innen aus aller Herren Länder werden auf ein Schloss in Pirna eingeladen, um dort eine Art Seminar zu besuchen und an einer besonderen Aufführung mitzuwirken. Lassen wir den unfassbar unverschämten Preis5 mal außen vor, ist es ein interessantes Buch mit einer extrem spannenden Prämisse, starken Weird-Fiction-Vibes und einer leider für mich eher mediokren Umsetzung.
  • Martin, George R.R.: Dead Man River ist ein Vampirroman, den ich bis vor kurzem gar nicht auf dem Radar hatte. Den obskuren Titel mal beiseite6, ist es ein durchweg lesenswerter Roman. Das Setting um den Mississippi in all seiner historischen Problemhaftigkeit ist toll umgesetzt und die Raddampfer-Thematik mit immenser Liebe ausgestaltet. Bisschen zäh hier und da, aber vollauf lesenswert.
  • Landis, Max et al.: Green Valley ist ein Comic, über den schwer ist zu schreiben, ohne irgendwas zu spoilern. Es beginnt als offenbar klassische Geschichte um vier Ritter, die Knights of Kelodia, und deren Taten, aber es schlägt dann ein paar wirklich wilde Haken. Ich hab’s gerne gelesen und wer z.B. Landis‘ Dirk-Gently-Serie7 gemocht hat, wird glaube ich hier auch Spaß an der Weirdness und Figurenzeichnung haben.
  • Routh, Rowan (Hrsg.): Eight Ghosts ist eine von English Heritage, einer wohltätigen Denkmalschutz-Organisation in England, herausgegebene Anthologie mit acht Geistergeschichten, die in acht realen geschützten Gemäuern spielen. Die Qualität schwankt, ist aber alles in allem ziemlich gut gelungen.
  • Zweig, Stefan: Schachnovelle ist ein sehr, sehr buchstäblicher Titel, denn es ist eine Novelle über Menschen, die Schach spielen. Aber zugleich o so viel mehr. Auf der einen Seite ist es eine sinnbildliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus – das Buch ist von 1942 und in seiner Prognose daher sehr düster –, auf der anderen Seite eine großartige Darstellung vom Rückfall zu einer Sucht und Kontrollverlust. Zu Recht ein Klassiker!

Und so endet mein Lese-Jahr 2025 … na ja, zumindest aus Blog-Sicht. Ich schreibe das hier am 27.12., sprich da sind noch ein paar Lese-Stunden übrig – aber was jetzt noch passiert, wandert dann halt in den Q1/26-Artikel, denn der nächste Halt hier im Blog werden dann schon ab Mitte der kommenden Woche die üblichen Beiträge zum Jahreswechsel sein – Neujahrsgruß, persönlicher Rückblick, Medien-Rückblick und Ausblick auf das kommende Jahr.

Viele Grüße,
Thomas

  1. Die deutschen Titel sind nicht so stumpf wie manchmal, aber auch ohne den Zauber des Originals: Das Erbe der Seher, Das Echo der Zukunft und Die Schatten der Zeit jedenfalls hätten mich nicht zum Kauf bewogen. ↩︎
  2. Die bisherigen Kandidaten hab ich glaube ich mit einer Ausnahme immer im DORPCast besprochen gehabt. Die Seelen der Nacht in DORPCast 12, 42 Grad in DORPCast 176 und Ice Planet Barbarians in DORPCast 219.
    Die eine Ausnahme war Twilight, knapp vor Beginn des DORPCasts, über das ich aber einen langen Blogartikel schrieb. ↩︎
  3. Das Buch gehört zu Vampire: die Maskerade, woran ich ja nun teilweise sogar persönlich bei uns bei Ulisses arbeite; klar bin ich da befangen! ↩︎
  4. Hier übrigens ist der Originaltitel Of Interactive Surveillance and the Circular Firing Squad … ich glaube, da gefällt mir der deutsche Titel sogar ausnahmsweise mal besser, wobei ich beide mag. ↩︎
  5. Mal im Ernst … ich rate ja immer wieder davon ab, Bücher nach Preis oder Umfang zu bewerten. Aber wenn ein Buch 144 Seiten hat, die eigentliche Geschichte kaum die Hälfte davon einnimmt und das Ding dann €29,95 kostet … nö. ↩︎
  6. Ausnahmsweise mal keine Kritik am Verlag. Das Original heißt Fever Dream und die frühere Heyne-Ausgabe heißt entsprechend Fiebertraum, aber offenbar – so munkelt das Internet – saß man dort dann stoisch auf dem Titelschutz und so bekam die FanPro-Hardcover-Auflage ihren neuen Titel. ↩︎
  7. Es ist wie immer kompliziert. Landis hat sich vor Jahren ja auch sehr ernsten, harten Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegenüber gesehen und diese meines Wissens bis heute auch nie wirklich ausgeräumt. Bei aller Zuneigung meinerseits zur Dirk-Gently-Serie, ich verstehe jeden, für den das hier ein Dealbreaker ist.
    Tatsächlich war mir beim Blindkauf des Comics gar nicht bewusst, dass Landis der Autor war; gekauft habe ich es wegen des atemberaubend schönen Artworks von Giuseppe Camuncoli, Cliff Rathburn und Jean-François Beaulieu, das ich online erspähte und die natürlich genauso Urheber dieses Werks sind. Wie so oft: Hier muss jeder selbst seine ethischen Grenzen ziehen und entscheiden, wo die Trennlinie von Kunstwerk und Künstler verläuft. Ich wollte es aber ansprechen, denn bewusst sein sollte es einem in jedem Fall. ↩︎

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