Die metaphorische Strandpromenade von Middelkerke

Hallo zusammen!

Vor einigen Wochen schrieb ich hier ja über meinen und Lichtes Urlaub in Middelkerke, übrigens als Text denke ich noch immer lesenswert, und drohte da ja schon an, dass ich auf das ganze Thema nochmal zurückkommen würde.

Nun, es ist soweit. Und beginnen wir quasi mit dem größten „Ding“, was beim letzten Mal ganz bewusst unerwähnt und ungezeigt geblieben ist: Ich präsentiere euch – die Promenade von Middelkerke!

Dieser Anblick, der sich da am Horizont abzeichnet, ist zumindest für meine Augen schon eine regelrecht manifest gewordene Kulturdystopie der Tourismusmaximierung. Middelkerke ist da beileibe nicht alleine mit, und soll auch nur mein Beispiel sein, weil wir nunmal dort waren.
Geht alleine den Strand herunter, folgt dem Meer und überquert Wellenbrecher um Wellenbrecher, und es dauert gar nicht lange, bis der nächste, vergleichbare Anblick folgt.

Trau keinem Foto?

Es wäre jetzt kinderleicht aus diesem Text ein „Trau keinem Foto“-Social-Media-Hit-Piece zu machen. Man könnte spielend auf die Falschheit all der Influencer und ihrer gehegten und gepflegten Social-Media-Feeds eindreschen, die oft ungefähr soviel mit wahrem Leben zu tun haben wie englischer Rasen mit einer echten Naturlandschaft.
Und klar, ist inzwischen kein Geheimnis mehr; „aber es stimmt ja auch“, könnte ich dann verteidigend sagen. Jeder Social-Media-Feed, jeder YouTube-Kanal, jeder Twitch-Stream ist am Ende kuratiert. Wer sein Leben irgendwie online nach außen trägt, beginnt recht schnell, das ganze so in Form zu bringen, dass es mehr einem Bonsai gleicht. Tut diese Seite hier ja auch.
Da mag es um Optimierung der Reichweite gehen, mit Blick auf den Algorithmus ebenso wie auf klassische Suchmaschinen. Oder es geht um „die Message“, um zu zeigen wie hip, oder reich, oder umweltbewusst, oder gebildet man ist.
Oder aber es geht auch einfach um Privatsphäre; das etwa ist hier der Fall. Darum wisst ihr halt auch, dass ich mit Lichte in Middelkerke war, aber ihr kennt nichtmal ihren Klarnamen.

All das ist wahr.
Aber es greift auch viel, viel zu kurz.

Herr meiner Gedanken

Lichte, den Blick hinaus aufs Meer

Denn Hand aufs Herz, das war mein erster Impuls. Aber je mehr und je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass auch ich eigentlich nicht an diese Promenade denke, wenn ich über das Wochenende nachsinne. Sicher, unsere gemütliche Bleibe lag dort, und an die erinnere ich mich gerne. Daher begannen unsere Strandspaziergänge auch zwangsläufig dort, ebenso wie sie dort endeten – aber wenn ich in Gedanken zurückgehe an die Zeit vor Ort, dann bin ich am Strand, in der Ferienwohnung, aber ich bin nicht bei der Promenade.
Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: Spannend finde ich gar nicht, wie wir unsere Außenwahrnehmung kuratieren. Darüber gibt es unzählige Artikel. Spannend finde ich, wie wir unsere Innenwahrnehmung kuratieren.
Weil natürlich: Es ist wahr, dass wir dort untergebracht waren. Ebenso ist es wahr, dass wir eine extrem zähe Anreise mit beachtlich längerer Fahrzeit hatten. Aber all das ist auch egal.
Denn gute Güte – wir waren am Meer. Am Meer! Und das Meer, das sagte ich schon, das Meer ist immer gut.
Die Idee aber, bewusst diese Meeres- und Strandeindrücke, die gemeinsame Zeit und beispielsweise die Freude bei unseren gegenseitigen Fotoprojekten, all das als Erinnerung mitzunehmen – und nicht die lange Autofahrt oder die dystopische Promenade – das ist zu einem gewissen Maß eine bewusste Entscheidung. Zwar eine, die je länger man diese Denkmuster übt und zu einem Teil seines Lebens macht, umso einfacher wird, aber dennoch: eine Entscheidung.
Die Outrage-Ökonomie schult uns, nach Dingen zu suchen, über die man sich empören kann. Und Empörung schafft Klicks – aber Empörung macht nicht glücklich. Ein Skandalon geht leichter viral als eine wohltuende Botschaft, aber ein Skandalon wärmt einem nicht das Herz.

Die Metapher

Ich, den Blick (und den Fotoapparat) hinaus aufs Meer (Foto © Lichte)

Und darum wollte ich diesen Folgeartikel unbedingt schreiben. Ihr habt, jeden Tag und in jeder Situation, eine Wahl. Natürlich im Rahmen der üblichen Grenzen wie eurer eigenen Unversehrtheit und Gesundheit oder dem Wohlergehen eurer Liebsten, aber ihr habt eine Wahl: Wie wollt ihr euer eigenes Leben wahrnehmen?

Jeden Tag stehen wir alle, metaphorisch gesprochen, am Strand von Middelkerke. Und jeden Tag haben wir alle die Wahl, worauf wir unseren Blick, unseren Fokus, unsere Wahrnehmung richten wollen – auf die Materialismus-Dystopie, oder auf das endlos wogende, wunderschöne Meer.

Ich für meinen Teil möchte stets das Meer wählen.
Denn das Meer – genau – das Meer ist immer gut.

Viele Grüße,
Thomas

2 Kommentare zu “Die metaphorische Strandpromenade von Middelkerke

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