Hallo zusammen!
Ich hatte in letzter Zeit immer mal wieder mit Schreibblockaden zu tun. Nicht bei mir selber, Gott sei Dank, aber halt bei anderen Leuten, die dann auf dem einen oder anderen Weg zu mir kamen und mir ihr Leid klagten. Das Betraf Uni und Hobby gleichermaßen und schon eine Weile trage ich mich mit dem Gedanken, das Thema hier einfach mal aufzugreifen.
Generell würde ich zwischen zwei Varianten unterscheiden, die beide in den Themenbereich fallen, allerdings sehr unterschiedlich auftreten. Das eine ist, ganz klar, die klassische Schreibblockade. Man sitzt vor dem weißen Blatt oder der unberührten Word-Seite und kriegt seine Finger einfach nicht dazu, mittels Federkiel oder Word-Processor einen Text zu formen. Es scheint einfach nicht zu gehen.
Die andere Variante ist in meinen Augen sogar noch tückischer: Man kriegt das mit dem Schreiben schon hin und die Seite füllt sich auch, aber mit jedem Absatz, den man noch mal liest, packt einen das Grausen darüber, wie unzureichend der eigene Text geworden ist. Also redigiert und löscht man, schreibt um, verwirft, konzipiert neu, verzweifelt … und steht Abends noch immer bei „Seite 1 / 1″.
Schwierig damit umzugehen ist es eigentlich immer, aber es gibt Taktiken, die einem generell helfen können. Bei der „Ich kriege keine Sätze zu Papier“-Variante ist es vermutlich noch einfacher, aus der Sackgasse herauszukommen. Ein Brainstorming ist oft ein guter Ansatzpunkt, einfach auch, um festgefahrene Denkstränge mal wieder etwas zu ordnen und auf ‚kreativ‘ zu schalten. Aber das Kernstück jeder längeren Textproduktion ist eine gute Outline, ein gutes Gerüst, das es zu füllen gilt.
Man kann das im Kopf machen, aber mir persönlich hilft es auch bei allem, was länger ist als ein Blog-Eintrag, handschriftliche Notizen zu machen. Tatsächlich fühle ich mich da mit einem Stift in der Hand wohler, obschon ich ansonsten jederzeit eine 102-Tasten-Tastatur vorziehen würde. Aber gerade in einem so kreativen Prozess wie bei dem Erstellen eines Exposés kommt mir das immer sehr entgegen, schnell und ohne Formalia auf einem Blatt wüten zu können.
Hat man einmal sein Grundgerüst beisammen, muss man es „nur“ noch füllen. Aber das Fleisch an die Knochen zu kleistern geht in der Regel recht gut, wenn man nur erst mal weiß, welche Form das Skelett hat. Auch das muss nicht im ersten Anlauf klappen, aber zumindest kann man immer, mit einem einzig Blick auf ein Blatt Papier, sauber bestimmen, worauf man eigentlich gerade hinarbeitet.
Problematischer ist wie gesagt Fall 2: Man kriegt schon Sachen geschrieben, aber sie fallen vor den eigenen Augen mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks in Ungnade. Hier ist es schwierig, da herauszukommen ohne den einem durchaus eigenen Sinn für Qualität auszuhebeln. Denn manchmal hat es vermutlich auch einfach seinen Grund, dass man bei einem Text ein schlechtes Gefühl hat.
Wie geht man also am Besten vor? Jedenfalls für mich hat es sich bewährt, erst mal tapfer weiter zu schreiben; wenn man sich zu sehr an einem Absatz verbeißt kommt man vermutlich vorerst nicht mehr voran und ein vorher vermutlich gegebener Gedankenfluss versiegt ganz jäh und jämmerlich an der dadurch errichteten Staumauer. Wenn man diesen Sinnabschnitt in seiner Gänze dann beendet hat, liest man es nicht (!) direkt wieder von oben gegen. Schließt die Datei, klappt das Manuskript zu und macht für einen Moment was anderes. Ist noch Abwasch da? Haben die Katzen bereits neues Futter? Muss der Müll raus? Besser aber noch, ich findet etwas, um für mindestens eine Stunde oder zwei auf Abstand gehen zu können, wenn es natürlich auch Leute gibt, bei denen das mit einem Abwasch nicht unrealistisch ist.
Danach kann man seinen Text noch mal lesen. Jetzt gibt es drei denkbare Reaktionen. „Oh, ist ja doch ganz okay“, „Naja, nicht so toll“ und „Oh Gott, was ein Desaster“. Ist die Reaktion die Erstgenannte ist erst mal alles gut. Überlasst die Korrektur der Feinheiten der nächsten Bearbeitungsphase, der Absatz steht erstmal. Wenn es Variante zwei ist, dann würde ich aber auch nicht dazu raten, direkt wieder alles zu verwerfen. Schickt es einem Bekannten, zeigt es eurem Partner, lasst es sie lesen und gebt keine größere Warnung als „Ich weiß nicht, ob das so funktioniert“. Schaut woran die sich stoßen, wo ihrer Meinung nach die Probleme liegen und guckt, ob ihr darauf aufbauen könnt.
Ist es Variante Nr. 3, dann ist es natürlich ein Problem. Wenn man echt ein absolut mieses Gefühl hat, dann ist es auch allenfalls Masochismus, das auch noch herum zu zeigen. Wenn ein Schreiner einen Stuhl baut und ein Bein zu kurz und die Lehne krumm ist, dann rennt er ja auch nicht herum, zeigt es seinen Freunden und fragt, ob sie eine Idee hätten, warum er darauf so unbequem sitzt.
Was also tun? Auch hier hilft oft Systematik. Im Kopf oder auf Papier gibt es drei spannende Listen, die man aufsetzen kann: Was sind die konkreten Informationen des Absatzes? Was funktioniert daran? Und sei es nur ein schöner Satz oder eine tolle Metapher. Und zuletzt: Was funktioniert nicht?
Abhängig vom Grad der Unzufriedenheit kann man nun mit diesen Listen arbeiten. Man vermeidet aktiv das, was zuvor für einen nicht funktioniert hat, man behält das, was gut war und man sieht zu, dass die vermittelten Informationen beim Umschreiben nicht verloren gehen.
Leichter gesagt als getan, sicherlich, aber das ist im Grunde zumindest meine Methode, solche Konflikte zu knacken, ohne mich zu verbeißen und somit auch ohne in eine Schreibblockade zu geraten. Systematik ist ohnehin oft das A und O bzw. ebenso oft genau das, was vermutlich fehlt, wenn es gerade mal nicht so gut läuft mit dem Schreiben.
Das gilt übrigens auch für die dritte (von zwei, ich weiß…) Form von Problem, die dafür verantwortlich ist, dass das Blatt nicht voll werden will: Prokrastination. Das ist ein großes, fieses Fachwort für ein Symptom, das auch als „Aufschiebeverhalten“ bekannt ist und das ich hier als Drittes beschreibe, da es mit beiden oben geschilderten Phänomenen Seite an Seite einhergehen kann und es sehr oft, aber halt nicht immer tut.
Es beschreibt das Verhalten, anstelle der direkten Konfrontation mit einer Aufgabe eher das Heil in der Flucht zu suchen. Wenn man den Abwasch, das Füttern der Katzen etc. nicht bewerkstelligt, während man einen Text sacken lässt, sondern bevor man auch nur angefangen hat, dann ist das ein sehr klar erkennbares Warnsignal.
Wichtig ist durchaus bei jeder Art von Schreibblockade, genau wie bei jedem anderen psychologischen, sich negativ auswirkenden Phänomen, das man direkt aufhört, die mögliche Schuld bei sich zu suchen. Die Ursachen vielleicht, die Schuld auf keinen Fall. Oftmals ist einfach eine Form von Angst beteiligt (vor Erfolg oder Misserfolg, vor Ablehnung des eigenen Werks, vor der Offenbarung persönlicher Seiten usw.), manchmal ist es Perfektionismus oder damit verbunden die Sorge, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können, damit verbunden die Bedrohung des eigenen Selbstwertgefühles („Ich möchte das nicht schreiben aus Angst, zu merken, dass ich doch nicht so gut schreiben kann, wie ich dachte.“) und andere, vergleichbare Phänomene.
Der in meinen Augen sicherste Weg aus der Prokrastination liegt in einer guten, sorgfältigen Organisation und Selbstdisziplin.
Man kann sich feste Zeiten stecken, die man zum Schreiben verwendet. Ich habe beispielsweise immer die ersten ein, zwei Stunden meines Tages das Netbook auf meinem Schoß und tippe, während ich meinen Morgenkaffee trinke. Man kann es auch einfach dadurch angehen, dass man sich selbst ein Ziel steckt – getreu dem Motto „Ich werde meine Spielkonsole nicht anmachen, bevor ich nicht meine 2000 Wörter für diesen Tag geschrieben habe.“
Jeder muss da im Detail seinen eigenen Weg finden, die generelle Ausrichtung der Lösungsstrategie ist aber immer gleich: Organisation und Zielstrebigkeit. Das ist sicherlich auch eine der größten Gaben des NaNoWriMos, da auch da Leute einfach von außen eine Hilfestellung bekommen, sich selbst eine Messlatte aufzulegen.
Vielleicht haben die Tipps jetzt dem einen oder anderen geholfen. Ich hoffe es jedenfalls, denn ich habe schon so viele Leute mit gutem Gespür für Inhalt und Sprache gesehen, die auch schreiben wollten, aber denen es einfach nicht gelang. Man kann sich selber da helfen und wer weiß, vielleicht habe ich dem einen oder anderen damit ja einen Ansatz geben können.
Für mich heißt es jetzt „Zurück zum nächsten Buch“.
Viele Grüße,
Thomas






Wen hingegen meine berufliche Arbeit als Verlagsleiter und leitender Layouter für Ulisses Spiele interessiert, findet
Selbstdisziplin ist ein Totschlagargument. Leider ein verdammt mächtiges (und schmerzhaftes)…
Ich finde nicht, dass man das so pauschal sagen kann oder sagen sollte. Selbstdisziplin ist, wenn man sie als selbstverständlich ansieht und den Willen dazu ebenso wie die Umsetzbarkeit implizit unterstellt, natürlich ein Problem. Das würde ich so aber auch nicht unterschreiben wollen.
Selbstdisziplin(ierung) ist ein Akt, ein aktives Tun, das einem nicht von selbst zufällt. Aber man kann es explizit mit Methodik begünstigen – und das ist schon ein wichtiger Schritt.
Ich will ja auch nicht „Ich will schreiben“ auf eine Art und Weise mit „Dann sei diszipliniert!“ abhaken, wie ich es tun würde, wenn ich „Ich will fahren.“ mit „Dann kauf dir ein Auto!“ abhaken würde.
Es geht vielmehr um Wege zum … Auto.
Dazu gehört etwa die o.g. Methode mit festen Zeiten oder einem festen Tagessatz an zu schreibenden Wörtern. Es gibt auch andere Ansätze, man braucht einfach einen, der für einen selbst Früchte trägt. Ebenso etwa die systematische Zerlegung von Schreibaufgaben mittels Diagrammen, Notizzetteln o.ä.
Umgekehrt finde ich es nämlich auch fatal, das Selbstdisziplin oftmals als eine Art naturgegebenes Talent dargestellt wird, das man entweder hat oder nicht. Von Autoren kommt sowas in meinen Augen oft zum Heraufsetzen des Werts der eigenen Arbeit (und der Einmaligkeit ihres Tuns), von anderen wahlweise auch als implizite Entschuldigung („Ich würde ja schreiben, aber ich hab da die Disziplin nicht zu…“). Gerade auch, weil eine strenge und erfolgreiche Selbstorganisation für manch einen der Weg aus der Krise (jedweder Art schon fast) sein kann…
Ich will dir nichts von dem oben gesagt unterstellen, keine Sorge. Aber ich finde, Selbstdisziplin als Totschlagargument zu bezeichnen ist der Versuch eine Aussage rhetorisch über Gebühr zu entkräften.
Viele Grüße,
Thomas
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Dem oben Gesagten stimme ich teilweise zu; ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass mir etwas entweder gelingt und dann auch leicht von der Hand geht, oder es eine fruchtlose Tortur wird, der ich mich eben durch Konditionierung/Selbstdisziplinierung (was so fundamental gar nicht verschieden ist) füge. Das muss nicht heißen, dass andere Leute nicht prima damit klar kommen. Aber oft habe ich das Gefühl (auch aus diesen Eindrücken heraus, die nur dank mangelnder Selbstdisziplin entstanden), dass Leute dank Selbstdisziplin Situationen aussitzen, in denen sie nicht sich selbst, sondern diese Situation ändern sollten.
Für (persönliche) Beispiele fehlt mir gerade die Zeit, in „Dinge geregelt kriegen…“ von Lobo und Passig sind aber einige gute Exempel enthalten. Ich reiche persönliche Erfahrungen aber gerne noch in den kommenden Tagen nach;).