Seelenworte

Haben Sie schon mal über Buchrücken nachgedacht?

Hallo zusammen!

Jeder, der gerne mit Büchern hantiert kennt sie, sieht sie täglich, nutzt sie auch ganz unbewusst; aber kaum jemand denkt über sie nach: Buchrücken.
Buchrücken sind nicht, wie man vielleicht meinen könnte, die Rückseiten von Büchern im Sinne des „Backcover“ in der englischen Sprache, sondern vielmehr die Rückenseite der Bücher, dort wo ihre zentrale Verbindungseinheit sitzt – zumeist eine Leimung. Es sind die flachen oder leicht rundlichen Seiten, die einen aus Buchregalen im Geschäft oder daheim anlachen, die rufen „Kauf mich!“ oder „Lies mich!“ – auch „Lass mich bloß stehen!“. Und sie sind mit einer Menge lustiger Fakten und Trivia verbunden.

Wusstet Ihr beispielsweise, dass früher der Preis auch auf dem Rücken verzeichnet wurde, ganz besonders bei Taschenbüchern? Wer so richtig alte Bücher, also im Sinne der Nachkriegszeit, etwa von Goldmann, in die Finger kriegt, der kann auf der Seite Punkte entdecken. Diese Punkte, oft ähnlich wie auf Würfeln in Mustern arrangiert, entsprachen dem Preis in DM. Wer ein Reclam-Taschenbuch erwirbt, dass vermutlich seit langer Zeit im Abverkauf ist, kann diese Punkte dort übrigens teilweise bis heute finden.
Aber auch danach wurde die Politik noch lange Zeit beibehalten – in Form einer numerischen Angabe, irgendwo klein und versteckt. Hatte man etwa ein Buch, auf dessen Rücken irgendwo klein „980“ stand, so war es eines für 9 Mark 80. Eine Eigenart, die mir lange Jahre viel Freude bereitet hat, wenn Bücher verschenkt und Preise auf der Rückseite unlesbar gemacht wurden, auf dem Buchrücken aber ebenso getarnt wie ungeniert nach wie vor die Summe prangte. Naja, Bibliophilen-Humor…

Praktisch waren die Angaben trotzdem. Man konnte im Laden die Buchregale abschreiten und, war die eigene Börse zu schmal bestückt, musste man das Buch gar nicht erst weiter beachten. Oder aber, es fiel einem auf, dass auf einem besonders dicken Buch ein besonders schmaler Preis stand und man wurde so neugierig.
Gestorben sind die Angaben mit der Umstellung auf den Euro und der Einführung der doppelten Preisangabe auf der Buchrückseite. Vermutlich der Mehrdeutigkeit wegen. Wie dem auch sei, mir fehlen sie, aber heute würden sich die Verlage vielleicht ja auch gar nicht mehr trauen, auf ein Buch mit wenigen Seiten zweistellige Beträge zu schreiben. Dann sähe man ja, wie teuer Bücher heute sind…

Aber zurück zu den Buchrücken. Wer auch englische bzw. englischsprachige Bücher besitzt, dem ist vielleicht schon mal aufgefallen, dass da eine ganz brisante stille Konvention in beiden Kulturkreisen genau entgegengesetzt wirkt: Die Ausrichtung. Steht ein deutsches Buch im Regal, so sind die Oberkanten der Buchstaben links. Man muss also den Kopf nach links neigen, um den Titel lesen zu können.

Das ist kein Zufall. So absurd es klingt: Untersuchungen haben ergeben, dass der generische Mitteleuropäer seinen Kopf aufgrund der Beschaffung seines Nackens angenehmer nach links als nach rechts neigen könne; die Buchrücken kommen dieser Neigung nach.

Bei englischen Büchern ist es genau anders herum. Die Buchstaben haben ihre Oberkante zur rechten Seite, sind also sozusagen anatomisch ungünstig konstruiert. Dummheit und/oder Zufall?
Mitnichten. Aufgrund einer dieser Konventionen, über deren Ursprung es viele und keine Erklärungen gibt, produziert der angelsächsische Markt seine Bücher so, dass sie, wenn sie im Regal liegen, das Cover nach oben haben können und zugleich der Titel lesbar bleibt. Und in der Tat: Legt man ein deutsches Buch mit dem Cover nach oben ins Regal, würde es eines Kopfstands bedürfen, den Buchrücken lesen zu können.

Manche Buchreihen sind dabei besonders fesch und besitzen etwas, was sich „durchgehendes Rückenmotiv“ nennt. Das Beispiel, das jeder kennt: Disneys Lustige Taschenbücher. Die haben, seit eh und je, von Rücken zu Rücken, Buch zu Buch übergreifende Motive, meist Abbildungen der bekannten Figuren des Konzerns, so dass das Ganze am Ende im Regal betrachtet einen schönes, durchgehendes Bild ergibt.
Auch das ist übrigens in der Praxis nicht immer so leicht umzusetzen. Hat man ein Buch mit flachem Rücken, dessen Front und Rückseite ebenfalls absolut flach sind, dann kann man natürlich im Layout einfach die Teilmotive arrangieren. Hat man aber Bücher mit rundem Rücken und daraus resultierender Pfalz (diese „Rille“, die zwischen Rücken und Deckel verläuft), so muss man den sich wiederum daraus ergebenden Überstand bedenken. Diese Bücher schließen im Regal nicht dicht an dicht an, sondern sind vielleicht einen halben Millimeter voneinander entfernt. Plant man das nicht ein und lässt diesen Teil des Rückenmotivs nicht einfach „weg“, so dehnt sich das Bild und wirkt fies und aufgebläht.
Auch sollte man immer bedenken, dass der Umschlag eines Buches nicht in Maßstäben rechnet, die für die Raumfahrt geeignet wären – bis zu fünf Millimeter Spielraum nach oben und unten kalkuliert man ein, wenn man einen Umschlag gestaltet. Dass trotzdem durchgehende Rückenmotive immer wieder gelingen sollte insofern durchaus mit Ehrfurcht wahrgenommen werden.

Ganz „nebenbei“ haben Buchrücken aber natürlich ihre klassischen Funktionen. So werden Autor und Titel, Verlag und ggf. die Reihe genannt, in der das Buch erscheint. Über all das, also Verlags- und Reihennamen, Logos und etwa die Art, wie Autoren genannt werden, könnte man dabei sicherlich locker weitere, ganze Beiträge schreiben … ja, ich glaube, das werde ich demnach auch einfach tun…

Für heute soll es das zum Thema Buchrücken gewesen sein. Wir lesen uns die Tage wieder hier!

Viele Grüße,
Thomas