Ich habe Bücher gelesen: Q2/25

Hallo zusammen!

Mensch, da ist der Juli schon fast rum und erst jetzt komme ich dazu, hier über all die Bücher zu schreiben, die ich im letzten Quartal gelesen habe. Wobei es diesmal auch spürbar weniger sind als die mehr als zwei Dutzend Titel letztes Mal. Dennoch: Es waren auch zwischen April und Juni wieder spannende Dinge dabei!

Terry Pratchett: Men at Arms

Beginnen wir mal mit einer These: Terry Pratchett ist ein echt guter Autor gewesen. Okay, kein hot take, sehe ich ein, aber dennoch wahr. In Men at Arms geht es im Rahmen der Discworld-Romane1 zum zweiten Mal um die Stadtwache von Ankh-Morpork, die es in diesem Roman mit einer überaus mysteriösen Mordserie zu tun hat. Nach und nach kommen sie dahinter, dass offenbar eine geheimnisvolle ‚gonne‘ – sprich eine Schusswaffe – dafür verantwortlich ist. Parallel dazu trägt sich Captain Sam Vimes mit der Frage, ob er wirklich mit der Hochzeit seiner geliebten Sybil aus dem Dienst ausscheiden soll, und eine Reihe von höchst ungewöhnlichen Rekruten will auch noch in die Truppe integriert werden.
Wie immer ist das eigentlich alles egal, denn die Handlung des Buches ist auch diesmal wieder in meinen Augen vor allem Vehikel für zwei Dinge, die Pratchett eigentlich transportieren will: Zum einen, klar, ist’s lustig. Gerade im englischen Original entfaltet sein Schreibstil einfach so eine angenehme, allumfassende Aura von wohlmeinender Ironie, die einfach Spaß macht. Und zum anderen geht es … ums Menschliche. Pratchett legt mit jedem Buch der Reihe – dies hier ist Band 15 von insgesamt 41 – nur immer präziser den Finger auf all die Absurditäten, die uns am Ende einfach nur menschlich machen. Und das alles zwar auch süffisant, aber stets voller Liebe.
Ein tolles Buch, ohne Einschränkung.

Jeff Lindsay: Dearly Devoted Dexter

Im zweiten Band der Romanvorlage zur beliebten TV-Serie Dexter wird dem Kenner von eben jener eines direkt klar: Waren Band 1 und Staffel 1 noch bis auf das Ende und einige Details nah beieinander, gibt es ab Band 2 kaum noch Parallelen.
Im Kern ist Dearly Devoted Dexter von zwei Ermittlungen gekennzeichnet: Zum einen gibt es da eine Mordserie (schon wieder), bei der die Opfer unendlich verstümmelt zurückgelassen werden. Dexter wird vom Sonderermittler und Freund seiner Schwester mit in den Fall hineingezogen – und das kommt ihm gar nicht ungelegen. Denn die zweite Ermittlung des Buches richtet sich gegen ihn, da sein „Kollege“ Doakes offenbar wittert, dass mit ihm etwas nicht stimmt und ihm völlig schamlos nachstellt.
Somit muss unser selbst ja auch serienmordender Protagonist diese beiden Ermittlungen jonglieren und parallel noch seine Alibi-Beziehung zu seiner Freundin Rita aufrechterhalten, wobei die ihrerseits eine erstaunliche Eigendynamik entwickelt.
Wer den Duktus der Off-Kommentare der Fernsehserie mag, der wird die Romane auch mögen, denn Dexter als Ich-Erzähler berichtet diesen Roman mit dem gleichen Verve, gefangen zwischen einem hochgradig analytischen Geist und einem vollkommenen Mangel an jedweder Empathie.
Keine leichte Kost, aber ein spaßiges Buch.

Tom King, Bilquis Evely et al.: Helen of Wyndhorn

Das Gespann aus Tom King und Bilquis Evely, die zuvor den absolut phantastischen Supergirl: Woman of Tomorrow geschaffen haben, hat mit Helen of Wyndhorn eine ganz eigene Geschichte inszeniert.
Im Zentrum der Erzählung steht eine junge Frau, Helen, die nach dem Tod ihres Vaters in die Obhut ihres Großvaters gegeben wird.
Helens Vater war Schundroman-Autor, mit einer starken Ähnlichkeit zu Robert E. Howard, und schnell wird klar, dass das Vorbild seiner Conan-haften Hauptfigur offenbar Helens Großvater gewesen ist. Und ebenso schnell wird sowohl dem Leser wie auch Helen klar, dass die übernatürlichen Sword-&-Sorcery-Aspekte jener Geschichten ebenfalls mehr als bloß einen wahren Kern haben.
Illustriert in Evelys atemberaubendem Stil erzählt die Graphic Novel dann in einer einmaligen tonalen Mischung aus Gothic Novel und Sword and Sorcery, wie sich Helens Leben von dort aus weiter gestaltet. Der Comic inszeniert dies aber zudem über eine Rahmenerzählung, in der Zeitzeugen-Berichte von Helens Leben in Wyndhorn House auch teils weitergereicht, teils tradiert werden. Und so ist das Gesamtwerk dann nicht „nur“ Gothic Novel und Sword and Sorcery, sondern auch noch eine Art Meta-Erzählung über das Erzählen und über das Eigenleben und die Unsterblichkeit von Geschichten.
Supergirl: Woman of Tomorrow war mein liebster Comic 2024, und noch sehe ich nichts, was Helen of Wyndhorn davon abhalten könnte, mein liebster Comic 2025 zu werden.

Star Wars

Die zweite Staffel von Andor lief im fraglichen Quartal und war sehr, sehr gut – und wie immer wenn sowas passiert, wurde ich rückfällig und Star-Wars-Bücher kamen völlig außer der Reihe nach oben auf den Lesestapel.
Von der Droge werde ich nie runterkommen, glaube ich …

  • Golden, Christie: Dark Disciple. Auf Geheiß des Jedi-Rats müssen die abtrünnige Asajj Ventress und der aufrührerische Quinlan Vos zusammenarbeiten mit dem Ziel, Count Dooku zur Strecke zu bringen. Wenn ihr das lest und das cool klingt, lohnt das Buch. Wenn ihr nicht wisst, wer das ist, gibt es vermutlich bessere.2
  • Maggs, Sam: Jedi: Battle Scars. Das Brücken-Buch zwischen den beiden Jedi-Computerspielen ist … nett. Es ist am schwächsten, wenn man merkt, dass der Videospiel-Kanon gezielt bedient wird und es hat ein paar wirklich starke Momente, wenn die Autorin ihren Figuren erlaubt, ein wenig frei zu atmen. Manchen Fans, las ich, war das Buch zu spicy, aber … oh ihr süßen Sommerkinder. Das ist alles noch mild.
  • Zahn, Timothy: Thawn Alliance. Der zweite Band von Zahns neuer Kanon-Thrawn-Trilogie fährt zweigleisig und schickt in dem einen Handlungsstrang Vader und Thrawn zu einer Mission an den Rand der bekannten Galaxis, während in Rückblenden Anakin Skywalker und Thrawn bereits in der gleichen Region unterwegs waren. Es ist sehr gut, aber ich fand den Vorgänger stärker.
  • Zahn, Timothy: Thrawn Treason. Der dritte Band der Reihe war auch gut, das vorweg. Er hat aber auch ein Problem unfassbar deutlich gemacht – Thrawn ist nunmal ein Imperialer, aber die Imperialen sind nunmal die Bösen. Das Maß, wie einerseits alle anderen Imperialen als zänkisch und machtgierig dargestellt werden, und wie Zahn andererseits merklich mühsam die „super-gefährlichen“ Grysk als Bedrohung für das ganze Imperium aus dem Hut zaubert, damit Thrawn jemanden so richtig episch besiegen kann, der nicht die Rebellion ist, wirkt gerade nach den vielen nuancierten Graustufen Andors mehr als ungelenk.

Und sonst waren da noch …

  • Furst, Alan: Mission to Paris erzählt von dem Schauspieler Frederic Stahl, der im Spätsommer 1938 nach Paris reist, um dort einen Film zu drehen. Und so sehr er sich bemüht, sich nicht in Politik verstricken zu lassen, so sind doch alle Seiten viel zu interessiert, ihn zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ein schöner Spionage-Roman, bodenständig und am stärksten, wenn Furst einen wirklich in die Stimmung in dieser Metropole, so kurz vor dem Angriff durch Nazideutschland, versetzt.
  • Gibson, William: Neuromancer ist auch nach über 40 Jahren ein wegweisendes Meisterwerk der Science Fiction. Es mag in einigen technischen Details etwas schlechter gealtert sein, aber in der Geschichte, die es erzählt und in der Zukunftsvision, die es entwirft, ist es auch heute noch absolut lesenswert.
  • Han, Byung-Chul: Müdigkeitsgesellschaft ist leider ein weiterer Eintrag dieser Art von progressiv gedachtem Sachbuch, das es relativ souverän schafft, ein Problem zu erkennen, aber völlig daran scheitert, dem etwas entgegenzustellen.3 Dass wir dank immunologischer Technik das ‚virale Zeitalter‘ hinter uns gelassen hätten, ist angesichts der COVID-Pandemie als These auch nicht gut gealtert, ebenso wie seine Prämisse, dass die Globalisierung den europäischen Landkriegen ein Ende gemacht habe, angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht gut davonkommt.
  • Miéville, China: Perdido Street Station war leider eine Enttäuschung. Vielleicht war es ein Fehler, direkt nach seinem großartigen The City and the City zu diesem sehr anderen Buch weiterzuziehen, aber ich fürchte Miévilles Steampunkt-Setting New Crobuzon war mir persönlich zu misanthropisch.
  • Pearman, Robb: What Would Skeletor Do? ist ein novelty item, und ich denke niemand hat etwas anderes erwartet. Ein lustiges, kleines Buch, dass man flott gelesen und unterwegs vermutlich geschmunzelt hat.
  • Powers, Tim: The Stress of Her Regard ist ein Roman, in dem sich der fiktive Doktor Michael Crawford zusammen mit John Keats, Percy Shelley, Lord Byron, John Polidori und Claire Clairmont gegen Vampire stellen muss. Das klingt leider cooler, als es am Ende ist. Ein Buch voll toller Ideen, spannendem World Building und interessanter Vermengung historischer Fakten, dem nur leider der narrative Kern phasenweise völlig abgeht. Außerdem ist Powers‘ geradezu spürbare Freude, seine handelnden Figuren über das Buch hinweg zu verstümmeln … ähem, seltsam. Nennen wir es mal seltsam.
  • Wells, Martha: Rogue Protocol ist der dritte Band der Murderbot-Reihe. Unsere emotionslose, introvertierte, Soaps liebende Killermaschine reist dieses Mal zu einem entlegenen Planeten, auf der Spur illegaler Machenschaften der Firma GrayCris. Und dann bricht wie immer die Hölle los. Kurzweilig, toll geschrieben, spannend – Empfehlung. Aber besser vorne anfangen.

Wie gesagt, weniger als letztes Mal – aber ich finde, da sind auch diesmal eine ganze Reihe spannender Sachen dabei gewesen.
Vielleicht inspiriert euch ja das eine oder andere.

Und nächstes Mal geht es noch einmal zurück nach Portugal. Also nur in Form eines Artikels, nicht persönlich als nächste Reise – aber irgendwas ist ja immer.
Da gibt es aber noch was Spannendes zu berichten!

Viele Grüße,
Thomas

  1. Interessenskonflikt … I guess. Mein Arbeitgeber Ulisses Spiele ist an der Umsetzung der deutschen Version des Scheibenwelt-Rollenspiels maßgeblich beteiligt. Das hat zwar keinen Einfluss auf ein Buch, das 1993 erstveröffentlicht wurde, aber es hat natürlich potenziell Einfluss darauf, was ich hier darüber schreibe. Sehe ich nicht so, aber objektiv bin ich entsprechend nicht. ↩︎
  2. Und ja, genau, das ist bis auf die Namen die gleiche Kritik, die ich letztes Mal zu A New Dawn schrieb. Ist hier halt ebenso wahr. ↩︎
  3. Hier ist es nicht der gleiche Wortlaut, aber ja, genau, das ist im Grunde das gleiche Phänomen, was mich letztes Mal bei Mark Fishers Capitalist Realism auch gestört hat. Und so arg unzufrieden ich gesellschaftlich mit „uns“ auch bin, Kritik ohne Gegenentwurf ist halt auch billig. ↩︎

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