Wenn Autoren schreiben, tippen sie dann?

Hallo zusammen!

Wenn ein Autor sagt, er schreibe an einem Buch, ist das dann ein allgemeiner Zustand, oder ist es eine akute Aktivitätsbeschreibung? Wenn ein Autor sagt, er habe heute viel an seinem Buch gearbeitet, heißt es dann, dass er die ganze Zeit auf die Tasten gehauen hat? Und kann ein Autor eigentlich nicht an einem seiner Bücher arbeiten?

Vor einigen Tagen konnte ich eine recht spannende Meta-Autoren-Kette verfolgen, die sich so durch ein paar Blogs zog. Mein Ausgangspunkt war Holger Göttmanns Blog Dive into Shine, bzw. sein Artikel „Author: the Torment“. Er befasst sich dabei mit dem Themenkomplex der Prokrastination bei Autoren (und eigentlich durchaus bei Kreativen im ganz Allgemeinen).
Er hatte die Idee aber auch schon aus anderer Quelle, denn unter dem Titel Time to Write schreibt auch Autor Wil Wheaton über den selben Themenkomplex. Wheaton, ja, richtig aufgepasst, das ist der Schauspieler des vielleicht meist-gehassten SciFi-Charakters, den ich kenne: TNGs Wesley Crusher. Aber er selbst hat sich irgendwann auf die Mission „vom B-Klasse-Schauspieler zum A-Klasse-Autor“ begeben, wie er sagt, und zumindest das, was er in obigem Artikel schreibt, hat durchaus Hand und Fuß.
Ausgangspunkt seines Textes war wiederum die Kolumne des Autors J. Robert Lennon in der LA Times, die sich, man ahnt es, auch mit dem Thema befasst hat.

Alles klar. Also offenbar bewegt es „uns“ alle. Der Wunsch, meine Sicht der Dinge hinzuzufügen, war geboren und da sind wir nun.

Wie schreibe ich? Wie schreiben, wenn ich mal davon ausgehe, dass ich kein absoluter Mutant im Sinne der Kreativität bin, vermutlich auch andere? Wie macht man das, ein Buch schreiben?
Meine primäre Schreibzeit ist morgens, nach dem Aufstehen. Das ist ein variabler Zeitbereich, in der Regel zwischen sechs und zehn Uhr. Es gibt ein paar Stationen, die ich vorher ablaufe – den Katzen neues Futter hinstellen, das Katzenklo reinigen, Kaffee aufsetzen, duschen, Kaffee nehmen – und dann setzte ich mich an den Küchentisch, unter das Oberlicht, klappe mein Netbook auf, an dem ich gerade sitze und … starre normalerweise erst mal auf das Werk vom Vortag.

Wie es dann weiter geht, das hängt ganz davon ab, was auf der Tagesordnung steht. Blog-Einträge schreibe ich normalerweise aus der Hüfte geschossen nieder, eher spontan und allenfalls zuvor unter der Dusche schon mal konzipiert (das ist wichtig, ich komme darauf zurück).
Aber wenn es um Material für Bücher geht, Sachbuch oder Erzählung, ist der erste Schritt für mich normalerweise etwas, was auf dem Papier stattfindet. Ich umreiße die „Dramaturgie“ der nächsten Sinneinheit – und ja, sowohl Sachbuchtexte als auch etwa Zeitungsartikel brauchen diese Dramaturgie. Man arrangiert Informationen, bei narrativen Texten auch Handlungsfolgen und Szenen so, dass sie eine schöne Gesamtstruktur ergeben, schaut auch einfach mal, was für weiterführende Konsequenzen das geplante Stück haben könnte, die man vorher vielleicht noch nicht bedacht hat.
Und dann beginne ich zu schreiben. Das bedeutet aber nicht, dass ich wie ein irrer Anschlag um Anschlag auf das kleine 10“-Display haue. Vielmehr kommen vermutlich zwei Sätze auf 30 bis 60 Sekunden des Nachdenkens. Manchmal flutschen ganze Absätze wie von selbst heraus, manchmal sind es auch Minuten, die verstreichen, ohne dass das typische Klacken der Tasten vernehmbar wäre.

Wheaton schreibt in seinem Text:

There’s a lot of thinking, a lot of wandering around (mentally and physically) and more than a little bit of goofing off online while I try to stay out of my brain’s way long enough for it to cough up the ideas.

Das Wandern im Geiste wie im Raume, das gibt es bei mir auch. Manchmal „mogle“ ich und gehe ins daneben liegende Wohnzimmer, um mir eines der vielen Lexika, Wörterbücher oder Nachschlagewerke anderer Art zu greifen, die dort stehen. Dann schon mit Zweck, aber alleine das hilft. Dann auf dem Rückweg noch Kater oder Katze gekrault und dann geht es oft schon wieder etwas besser.
Was ich dagegen absolut nicht (mehr) tue, was Wheaton anreißt, ist das Herumalbern im Netz. Meiner Erfahrung nach ist das Internet eine Art kreative Todesfalle und bis ich mal mit Mails, Foren, ICQ-Gesprächen und „oh, was hab ich eigentlich das letzte Mal bei ComingSoon.net herein geschaut?“ durch bin, ist es der Vormittag meist auch. Zumal ja eigentlich immer irgendeine Deadline – Uni, Termin für die AZ, irgendwas in der Art – im Raume liegt.

Wichtig ist auch zu sagen, dass Autor und Text einander auch immer zwei Mal im Leben sehen. Wenigstens bei mir und, um ehrlich zu sein, mindestens zwei Mal. Oft genug schreien Passagen, die am Vortag mit Schweiß und Tränen zum Schirm gebracht wurden, mit Abstand ganz schrecklich. Also, keine Frage, muss da noch dran gefeilt werden.

Oftmals sieht man den Abschnitten, die man quasi mit Gewalt in die Welt gebracht hat, eben diese auch an. Nicht selten habe ich ganze Passagen oder gar Seiten auch neu geschrieben, nachdem ich vorher die alte Fassung gründlich gelesen hatte. Oft genug gemacht, war das Ergebnis danach eigentlich bisher auch immer tragbar.

Natürlich ist es hilfreich, in diesen Phasen ungestört zu sein. Das ist aber nicht immer möglich, diesen Traum vom ungestörten Schreiben habe ich mir schon länger abgeschminkt. Allerdings kann ich es durchaus empfehlen – gerade schwere Passagen werden geradezu unmöglich zu schreiben, wenn gleichzeitig das Radio laut dröhnt, auf dem Dach (wie gerade, übrigens) irgendwelche Handwerker irgendetwas machen und die Katzen die ganze Zeit um Schmuseeinheiten buhlen.
Dahingehend kann ich nur raten, nicht auf Anschläge pro Tag oder Anzahl geschriebener Seiten fixiert zu arbeiten. Man sollte den generellen Fortschritt nicht aus den Augen verlieren, aber dennoch im Zweifel eher auf entspanntes Arbeiten setzen.
Zum Beispiel von oben: Vielleicht schaffe ich eine halbe Seite weniger, wenn ich unterbreche und etwas mit den Katzen spiele. Aber im Rest der Zeit kann ich entspannt und produktiv arbeiten, was mehr wert ist, als die komplette Zeit unter Stress Worte zu erzwingen.

Das ist eine Seite der Medaille. Auf die andere, nämlich der Gedanke, dass Autoren eigentlich immer arbeiten, werde ich aber glaube ich dieser Tage noch einen eigenen Artikel verwenden, das wird hier sonst alles etwas lang.

Insofern sage ich für heute einfach mal:
Viele Grüße und einen schönen Tag,
Thomas

2 Kommentare zu “Wenn Autoren schreiben, tippen sie dann?

  1. >>> Wenn ein Autor sagt, er schreibe an einem Buch, ist das dann ein allgemeiner Zustand, oder ist es eine akute Aktivitätsbeschreibung?

    Wenn ein Autor sagt „Ich schreibe eine Biographie über Gandhi“, dann ist das die Beschreibung seines Jobs und nicht seiner aktuellen Tätigkeit. Also generelles Präsens, nicht aktuelles Präsens.
    Aber das gilt ja für andere Menschen auch. Wenn jemand sagt „Ich arbeite bei der Telekom“, dann ist diese Aussage aktuell ja auch unrichtig, weil er gerade mit mir spricht und nicht arbeitet. :-)

    Davon abgesehen: Nett, dir über die Schulter schauen zu können. :-)

    Allen jungen Autoren kann ich nur empfehlen, mal bei Google nach „Procrastination“ zu suchen. Da kommen massenhaft offenherzige Berichte von Kreativen darüber, was sie alles tun, in der Hoffnung, dass das Großhirn endlich mit der Arbeit beginnt. :-)

    • Die Analogie zur normalen Job-Beschreibung, die gefällt mir. Da ist was Wahres dran.

      Ich denke, jeder muss im Endeffekt seinen eigenen Weg finden, das jeweils eigene Großhirn zur Kooperation bewegen zu können. Der Weg dahin mag geradezu asketisch oder auch geistig kreuz und quer nebenbeschäftigt sein, das ist beides bis ins Extrem denkbar. Es muss sich nur für einen selbst richtig anfühlen ;)

      Aber es freut mich, dass man mir über die Schulter schaut :)
      Sicher, das Angebot geht mit dem Blog ja auch von mir aus, aber es freut mich sehr, dass es auch wahrgenommen wird.

      Ich bin mir unsicher, inwiefern sich Schreibmethoden wirklich im klassischen Sinne „vermitteln“ lassen und wo in jedem Fall der persönliche Ansatz beginnt, der persönliche Einfluss. Irgendwie ist Schreiben ja auch ein sehr intensiver und inniger Vorgang, wenn man es mit Hingabe betreibt. Aber wenn der eine oder andere das, was ich hier schreibe, wirklich interessant finden kann (und dem scheint ja so zu sein), dann sei es zu meiner Freude :)

      Insofern: Sei mein Gast!

      Viele Grüße,
      Thomas

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