Gestern Abend haben wir uns gemeinsam noch an „Die Welle“ gewagt. Dennis Gansel hat das gleichnamige Buch verfilmt, teils am Werk, teils eher als Adaption. Ich habe nicht vor, diese Seite hier zu einem Medium für Filmrezensionen zu machen, aber der Film verdient einfach Lob, denn er zeichnet zwei Dinge wesentlich glaubwürdiger, als einige Kritiker das wahrhaben wollten: Massengefühl und Schulalltag.
Massengefühl, auch ohne Kernbotschaft, Ideologie als eine Art Auto-Ideologie, das kann durchaus funktionieren. Schauspieler stellen manchmal fest, dass sie beginnen, in ihren Rollen zu argumentieren. Live-Rollenspieler kennen zum Teil das Phänomen, dass sie sich plötzlich von Emotionen ergriffen fühlten, von denen sie zwar wussten, dass sie fiktiv waren, die sie allerdings dennoch aufnahmen und trugen. Ich schrieb an anderer Stelle schon mal über ein ähnliches Thema und darüber, wie viel über die dunkle Seite der menschlichen Psyche in diesen Momenten steckt.
Wer es lesen mag, es steht in meiner Galerie – I learned something about mankind, I think – allerdings in englischer Sprache.
Mehr aber noch transportiert der Film für mich einen nachvollziehbaren Blick auf eine typische Schulklasse. Die Rollen-Klischees, die Cliquen, die Archetypen, die „Die Welle“ dort zeigt, sind durchaus glaubwürdig. Dass ein Hauch von Schul-Amoklauf enthalten ist, nun gut, das ist der Gegenwart geschuldet, aber insgesamt kann ich dem Film nur zugestehen damit etwas geschafft zu haben, woran sehr viele scheitern. Auch die Sprache ist fast tagesaktuell, da wirkt es mal nicht gekünzelt, was aus den Mündern der Jugendlichen kommt, sondern das klingt so, was ich in der Uni höre, oder was von Schulhöfen zu mir weht, wenn ich durch Aachen wandere.
Der Film ist auch handwerklich sehr gut gemacht, mit einer tollen, über-kontrastierten Optik, die mit schöner Kameraführung und gutem Schnitt zusätzliche Punkte sammelt. Er ist nicht wie das Buch, aber er nimmt sich gegenüber der Vorlage seine Freiheiten aus zwei der wohl besten, denkbaren Gründe – die Änderungen sind, je nach Situation, wahlweise dem Medium oder aber dem Zeitgeist geschuldet. Gegenüber dem Buch wird da zum Teil sogar noch an Tiefe gewonnen, gerade indem der Bereich der Klassenaußenseiter spürbar erweitert wird. Dadurch ist die Gruppe am Anfang viel heterogener und trägt damit nur umso besser die unglaubliche Kraft der Bewegung an den Zuschauer weiter.
Irgendwie erscheint es da fast typisch, dass unter anderem das in den Kritiken das moniert wurde. Wer schreibt, dass der Film sich der Gegenwart der Schüler gegenüber unkritisch verhält (das war der Spiegel), der kennt diese offenbar nicht. Wer schreibt, dass die Warnung vor dem Faschismus in Form einer Bewegung ohne konkrete Ideologie ein Teil des Problems und nicht der Lösung sei (das war die Süddeutsche), dem entgeht ein Kernelement des Films – Äußerlichkeiten und Körperliches können Gruppengefühl erzeugen, ganz egal, welcher Inhalt dahinter stecken mag. Auch erzählt der Film von der Verführung durch Macht, zeigt anhand des Lehrers, wie Macht korrumpiert, selbst wenn man gar nicht von Anfang an plante, diese zu erlangen.
Aber es sind die Kulturkritiker, die generell in allem, was auch einen Anspruch auf Prädikate wie „Hip“ oder „Pop“ hat, eine flache Geschichte sehen. Klar sieht der Film gut aus und spricht einen mit seiner modernen Ästhetik an – alles andere wäre bei einem Film aus dem Jahr 2008 ja auch erschreckend. Irgendwie zweifelt man dann doch schon eher an der Kompetenz der Kritiker, zwischen einer ihnen vielleicht entwachsenen Ästhetik noch eine Handlung zu sehen, die durchaus da ist.
Der aktuelle Spiegel hat eine Buddenbrooks-Kritik drin, die das noch viel schlimmer macht.
Aber um bei der „Welle“ zu bleiben – ein toller, ein wahrer Film. Hat mich bewegt und die Tatsache, dass ich noch immer über ihn nachdenke spricht sicherlich für ihn.
Eine gute Motivation, mich jetzt nach Absenden dieses Beitrags mal wieder „Einfach Filme machen“ zu widmen. Knapp vier Kapitel sind es noch, die geschrieben sein wollen.
Viele Grüße und bis die Tage,
Thomas






Wen hingegen meine berufliche Arbeit als Verlagsleiter und leitender Layouter für Ulisses Spiele interessiert, findet